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Zugspitze - Zweitwohnsitz (23/25)
Zweiter Bildungsweg Zweiter Weltkrieg

Zweite Republik


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Zweite Republik: Erste Wahl zum Nationalrat am 25. November 1945. Stimmabgabe durch den späteren Bundeskanzler L. Figl. Foto.




Zweite Republik: Die Geschichte Österreichs in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich in folgende Abschnitte gliedern: 1) die Periode der durch die Besatzung eingeschränkten Souveränität 1945-55; 2) die Fortsetzung der großen Koalition bis 1966; 3) die Alleinregierung der ÖVP bis 1970; 4) die Alleinregierungen der SPÖ 1970-83 (Ära Kreisky); 5) die Koalitionsregierungen 1983-94; 6) die Mitgliedschaft in der Europäischen Union seit 1995.

1) Besatzungszeit bis 1955: In den letzten Wochen des 2. Weltkriegs konstituierten sich im sowjetisch besetzten Wien und Niederösterreich die 3 politischen Parteien SPÖ, ÖVP und KPÖ, die eine Provisorische Regierung (Bundesregierungen) unter der Führung von K. Renner bildeten (11 Vertreter der SPÖ, 9 ÖVP, 7 KPÖ). Diese proklamierte am 27. 4. 1945 die Wiedererrichtung der Republik Österreich und erließ in der Folge grundlegende Gesetze (Vorläufige Einrichtung der Republik gemäß Verfassung von 1920/29 nach Stand vom 5. 3. 1933, Verbot der NSDAP, Rechtsüberleitung), wurde aber nur von der Sowjetunion anerkannt, deren Truppen Wien, Niederösterreich, das Burgenland und Teile der Steiermark einnahmen. Von den westlichen Alliierten besetzten bis zum Kriegsende (7./9. 5. 1945) US-Truppen Tirol, Salzburg und Oberösterreich, die Franzosen Vorarlberg, die Briten und Jugoslawen Kärnten und Teile der Steiermark; von diesen wurden nur regionale (Länder) und lokale Verwaltungsorgane zugelassen. Das 1. Kontrollabkommen vom 4. 7. 1945 stellte Österreich unter eine alliierte Militärregierung, die Besatzungszonen wurden endgültig vereinbart, am 11. 9. hielt der Alliierte Rat (Besatzung 1945-1955) seine 1. Sitzung ab. Nach 2 Länderkonferenzen am 23./24. 9. und 9. 10. wurde die Regierung um Vertreter westlicher Bundesländer erweitert und der 25. 11. als Wahltermin festgelegt. Am 20. 10. anerkannten auch die westlichen Alliierten die Regierung Renner.

Die Nationalratswahlen am 25. 11. 1945 brachten der ÖVP die absolute Mehrheit mit 85 Mandaten, die SPÖ erhielt 76, die KPÖ überraschenderweise nur 4 Mandate. Damit war der künftige Weg zur Demokratie westlicher Prägung vorgezeichnet. Gleichzeitig fanden Landtagswahlen statt, nach deren Ergebnissen auch die Gemeinderäte zusammengesetzt wurden. Eine Konzentrationsregierung (bis 1947) unter L. Figl (K. Renner wurde Bundespräsident) musste das Überleben sichern (Hungerwinter 1946/47), das NS-Problem lösen (Nationalsozialistengesetz 1947, Amnestie für Minderbelastete 1948, Entnazifizierung), die Rückkehr der Kriegsgefangenen und Hilfe von außen (UNRRA) erreichen, mit einem gewaltigen Flüchtlings- und Vertriebenenproblem fertigwerden (Flüchtlinge) und den Wiederaufbau beginnen. Außenpolitisch wollte sie Südtirol gewinnen und strebte einen Staatsvertrag und den Abzug der Besatzung an. 1946 wurde durch das Gruber-De Gasperi-Abkommen die Grundlage der Autonomie für Südtirol geschaffen. Die Staatsvertragsverhandlungen begannen 1946/47, führten aber zu keinem Ergebnis, weil Gebietsansprüche Jugoslawiens, dann Ablöseforderungen der Sowjetunion für das deutsche Eigentum, schließlich der beginnende kalte Krieg (die Nachbarländer Ungarn und ČSR wurden 1947/48 Volksdemokratien) dies verhinderten.

Von den Parteien waren ÖVP (Österreichische Volkspartei) und SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) annähernd gleich stark, die KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) blieb trotz der Kooperation mit den Linkssozialisten unter E. Scharf 1948 schwach, als 4. Partei bestand ab 1949 der Verband der Unabhängigen (VdU). Daneben wurden die Interessenvertretungen (Österreichischer Gewerkschaftsbund, Kammern) sozial- und wirtschaftspolitische Faktoren. Durch ihre Zusammenarbeit wurden 1947-51 zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation 5 Lohn- und Preisabkommen abgeschlossen. Der Abschluss des 4. Lohn- und Preisabkommens führte im September 1950 zu ausgedehnten Streiks, die die KPÖ zur Durchsetzung von mehr Einfluss benützen wollte, damit aber scheiterte.

Die Meinungsvielfalt (Zeitungen mit Lizenz der Alliierten, Rundfunk in der Hand der Besatzungsmächte) wurde ausgebaut und der Wiederaufbau begonnen, weitgehend unterstützt durch die Hilfe des Marshall-Plans, die 1948 einsetzte (die KPÖ hatte deshalb 1947 die Regierung verlassen). Die Beschlagnahmung des ehemaligen deutschen Eigentums durch die Sowjetunion 1946 und, unter anderem zur Verhinderung weiterer Beschlagnahmungen, die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie sowie der führenden Banken im gleichen Jahr (die Energieversorgung wurde mit dem 2. Verstaatlichungsgesetz 1947 den Ländern übertragen) veränderten die Wirtschaftsstruktur und stärkten die Entwicklung der westlichen Bundesländer.

Eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Bundesländer galt der Wiederherstellung des Stephansdoms (Abschluss 1952). Beim kulturellen Wiederaufbau stand die Beseitigung der Kriegsschäden an Staatsoper, Burgtheater und anderen Theatern, Museen, Schulen und Universitäten im Vordergrund; die Institutionen waren erhalten geblieben, wurden neu formiert und repräsentierten Österreich (1948 Ausstellung der Kunstschätze in Amerika und in Westeuropa; ab 1945 Salzburger Festspiele, 1946 Bregenzer Festspiele, 1949 Wiener Festwochen; Wiener Philharmoniker und Wiener Symphoniker, Orchester der Länder). Kultur musste durch öffentliche Mittel gefördert werden, besonders schwierig war die Lage der bildenden Künstler.

Nach K. Renners Tod wurde 1951 T. Körner zum Bundespräsidenten gewählt, damit wurde die Reihe der von der SPÖ gestellten Präsidenten fortgesetzt (bis 1986), als Bundeskanzler wurde L. Figl 1953 durch J. Raab abgelöst, unter Finanzminister R. Kamitz (1952-60) begann ein neuer Wirtschaftskurs (Inflationsrate 1948-51 jährlich zwischen 30 % und 35 %). Der Raab-Kamitz-Kurs brachte: Steuersenkung, Konsolidierung des Budgets, soziale Marktwirtschaft mit Förderung der Privatbetriebe und gleichzeitigem Ausbau der verstaatlichten Industrie, Einsetzen des Fremdenverkehrs in den westlichen Bundesländern.

Ab 1953 nahmen die Spannungen gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht ab (Ende der Besatzungskosten, Abbau der Zonenkontrolle, Rückgabe von Baustellen der Autobahn und des Kraftwerks Ybbs-Persenbeug), dadurch wurden ein zügiger Wiederaufbau der Kulturbauten sowie ein verstärkter Schul- und Wohnungsbau möglich; im Vergleich zu den unmittelbaren Nachkriegsjahren wurde beginnender Wohlstand spürbar.

Am 15. 5. 1955 konnte nach jahrelangen Verhandlungen die Unterzeichnung des Staatsvertrags von Wien erreicht werden, die letzten Besatzungstruppen zogen ab, am 26. 10. 1955 beschloss der Nationalrat die immerwährende Neutralität (seit 1965 Nationalfeiertag), Österreich war wieder ein souveräner Staat.

2) Fortsetzung der großen Koalition 1955-66: Durch die Neutralität hatte Österreich eine neue Position in Europa erhalten; noch 1955 trat es der UNO bei und beteiligte sich später an deren Friedensaktionen (UN-Einsätze). Seit 1956 gehört Österreich dem Europarat an. Während des Ungarnaufstands von 1956 wurde die Neutralität erstmals auf die Probe gestellt, das neu aufgestellte Bundesheer kam bei der Grenzsicherung zum Einsatz; von der Flüchtlingswelle war Österreich als einziges westlich orientiertes Nachbarland stark betroffen.

Weltpolitisch bedeutende Treffen, wie am 4./5. 6. 1961 zwischen N. S. Chruschtschow und J. F. Kennedy in Wien, hoben angesichts der Herausbildung der Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt die Bedeutung der Neutralität. Sie machte aber einen Beitritt zur EWG unmöglich, hingegen gehörte Österreich ab 1960 der EFTA (Europäische Freihandelsassoziation) an.

Bei Neuwahlen blieb der Abstand der beiden Großparteien gering, seit 1956 war die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) im Nationalrat (6 Mandate) vertreten, die KPÖ (zuletzt 3 Mandate) schied 1959 aus. Die SPÖ (A. Schärf und F. Jonas als Bundespräsidenten) wurde unter B. Pittermann (neues Programm) offener, in der ÖVP folgten auf A. Gorbach 1963 mit J. Klaus (Bundeskanzler) und H. Withalm (Generalsekretär) schärfer agierende Politiker. Auch radikale politische Gruppen traten auf, 1965 kam es zu Ausschreitungen wegen NS-Äußerungen von T. Borodajkewycz, F. Olah wurde 1964 aus der SPÖ ausgeschlossen und gründete eine neue Partei, die 1966 ohne Erfolg bei den Wahlen antrat. Insgesamt wurden Ansätze der Auflösung der überkommenen politischen Lager bemerkbar, die Proporzdemokratie geriet in Verruf.

Außenpolitisch bestimmte Südtirol (Anschläge, Verhaftungen) das Geschehen, 1959 brachte B. Kreisky das Problem vor die UNO, 1961 folgten neue Sprengstoffanschläge, 1964/65 kam es zur Erweiterung der Autonomie. Ab 1964 wurden die Kontakte zu den Staaten des von der UdSSR dominierten Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) ausgebaut.

Ein Umbruch vollzog sich im Medienbereich, die Parteizeitungen gingen zurück, die Boulevardpresse war im Vormarsch, das Fernsehen fand rasche Verbreitung, unverminderter Parteieneinfluss führte 1964 zum Rundfunk-Volksbegehren und 1966 zur Umstrukturierung des Rundfunks (ORF, Ära Bacher).

Das Konkordat ermöglichte das Schulgesetzwerk 1962 (9. Schuljahr mit Polytechnischem Lehrgang, Umgliederung der Mittelschulen und höheren Schulen, Verlegung der Lehrerbildung in die Pädagogischen Akademien). Das Bildungsniveau der nachwachsenden Generation stieg beträchtlich. Viele Schulbauten für Pflicht- und höhere Schulen sowie Kulturbauten wurden errichtet (Wiener Stadthalle, 1958, Großes Festspielhaus in Salzburg, 1960), internationale Ausstellungen kamen nach Wien, das Museum des 20. Jahrhunderts in Wien wurde gegründet, Landes- und Stadtmuseen ausgebaut, eine neue Künstlergeneration nach Künstlern wie F. Wotruba und H. Boeckl erlangte Bedeutung (F. Hundertwasser, Wiener Schule des Phantastischen Realismus), in der Literatur wurde H. von Doderer zu einer führenden Persönlichkeit; für jüngere Autoren, wie I. Bachmann, setzte sich vor allem H. Weigel ein.

Die Wirtschafts- und Sozialstruktur veränderte sich infolge des Verlusts von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft durch die fortschreitende Mechanisierung; die frei werdenden Kapazitäten wurden zunächst von der Industrie aufgenommen, später im Dienstleistungsbereich. Stellung und Situation der Arbeiter verbesserten sich und wurden denen von Angestellten zunehmend angenähert; immer mehr Frauen wurden erwerbstätig. Die Verstädterung nahm zu, im Handwerk verschwanden bestimmte Berufe, neue entstanden. Im Bevölkerungsaufbau entwickelte sich eine tendenzielle Überalterung, der Ausbau des Sozialsystems (ASVG 1955, Bauern- und Selbständigenkrankenkassen) verstärkte die soziale Absicherung.

In den 60er Jahren entstanden viele Wohnbauten (Satellitenstädte, Siedlungen, Zunahme von Zweitwohnsitzen), der Straßenbau (Autobahnen, Schnellstraßen, Bundesstraßen) stieß noch nicht auf Widerstand.

Ab 1962 befand sich die große Koalition in einer Krise (Fall Habsburg 1962, Bemühungen der SPÖ um eine kleine Koalition mit der FPÖ, härtere Gangart der ÖVP, Olah-Krise und Fall Fußach 1964). 1965 endete die Legislaturperiode frühzeitig, bei den Wahlen vom 6. 3. 1966 erhielt die ÖVP die absolute Mehrheit.

3) Alleinregierung der ÖVP 1966-70: Nach der Wahl zerbrach die Koalition, die westlichen Bundesländer waren in der neuen Regierung unter Bundeskanzler J. Klaus stärker vertreten, im Parlament standen einander nun eine Regierungspartei und eine große Oppositionspartei gegenüber. Die Regierung (der mit G. Rehor erstmals eine Frau angehörte) bemühte sich um eine Versachlichung der Politik und um wichtige politische Reformen, die jedoch nur teilweise umgesetzt werden konnten; das Parlament beschloss eine Fülle von Gesetzen. Die Parteienstruktur änderte sich neuerlich: In der ÖVP geriet der Arbeiter- und Angestelltenbund in eine Krise (in Niederösterreich Affäre V. Müllner, H. Drimmel scheiterte in Wien). In der SPÖ erfolgte eine Kursänderung, B. Kreisky wurde statt B. Pittermann Parteiobmann und distanzierte sich von der KPÖ. In SPÖ und ÖVP wurden Fachleute stärker herangezogen, die "Neue Linke" erhielt kurzfristig Auftrieb, 1968 kam es zu Jugendkrawallen. Die KPÖ verlor ihre letzten Sitze in den Landtagen (ČSSR-Krise). O. Habsburg wurde die Einreise gestattet.

Die Studentenzahlen stiegen stark an, Universitäts-Neubauten wurden in Salzburg, Linz und Wien errichtet, die Universität Innsbruck wurde erweitert, ein staatliches Stipendienwerk wurde geschaffen. Zur Bewältigung der Budgetsituation und von Strukturproblemen mussten von der Regierung unpopuläre Steuererhöhungen vorgenommen werden (Koren-Plan 1967/68).

4) Alleinregierungen der SPÖ 1970-83: Bei den Nationalratswahlen am 1. 3. 1970 erhielt die SPÖ mit 81 Mandaten (vorher 74) die relative Mehrheit im Parlament, gefolgt von der ÖVP mit 78 Mandaten (zuvor 85), die FPÖ behielt 6 Mandate. Bundeskanzler J. Klaus wollte keine Kontakte zur FPÖ; B. Kreisky bildete eine sozialistische Minderheitsregierung mit Duldung der FPÖ. Die Wahlrechtsreform mit der Erhöhung der Abgeordnetenzahl von 165 auf 183 sollte der FPÖ zugute kommen. Bei Neuwahlen 1971 erhielt die SPÖ mit 93 Mandaten die absolute Mehrheit und bildete eine Alleinregierung, der bereits 3 Frauen angehörten. Programm war die Erneuerung Österreichs in allen Bereichen. Ein Wissenschaftsministerium unter H. Firnberg reorganisierte 1975 die Hochschulstruktur (Gründung der Universität Klagenfurt 1973, Ausbau der Universitäten Salzburg und Linz, Übernahme der Kunsthochschule Linz durch den Bund, Errichtung weiterer Universitätsbauten). Unter den Unterrichtsministern L. Gratz (1970-71) und F. Sinowatz (1971-83) wurden viele Schulbauten des Bundes durch Leasing errichtet, Volks- und Hauptschulbau stagnierten jedoch wegen des Rückgangs der Schülerzahlen. In diesem Jahrzehnt erfolgte eine starke Förderung der Volksbildung (Volkshochschulen) und der Jugendkultur (Arenabewegung in Wien ab 1973), verstärktes Augenmerk fanden Restaurierung und Erhaltung von Denkmälern, historische Ausstellungen in fast allen Bundesländern trafen auf großes Interesse (Landesausstellungen), die Dorferneuerung wurde forciert. Mit K. Frisch und K. Lorenz stellte Österreich 1973 wieder Nobelpreisträger.

1972 wurde ein Gesundheitsministerium eingerichtet. Wichtige Reformen im Rechtsbereich wurden durch C. Broda durchgesetzt: ein neues Strafrecht trat 1975 in Kraft (Fristenregelung gegen den Widerstand der katholischen Kirche), 1975/78 erfolgte die Familienrechtsreform.

In der Wirtschaft herrschte 1970-74 Hochkonjunktur, der Bedarf an Arbeitskräften konnte im Inland nicht mehr gedeckt werden; mit der einsetzenden Zuwanderung von Gastarbeitern aus dem damaligen Jugoslawien und der Türkei begann eine Bevölkerungsentwicklung, die bis in die 90er Jahre anhielt. Ein hohes Maß an sozialem Frieden garantierte die Sozialpartnerschaft (Paritätische Kommission). Die verstaatlichte Industrie sollte durch Zusammenschlüsse gestärkt werden; 1970 hatten die ÖIAG-Betriebe 103.000 Beschäftigte, 1972 (mit Wirksamkeit ab 1. 1. 1973) wurde die VOEST-Alpine geschaffen, die Edelstahlwerke wurden in den VEW konzentriert, nach Zusammenschluss von Chemiebetrieben mit der ÖMV erfolgte auch in diesem Bereich eine kräftige Expansion. Die Kohleförderung wurde als unrentabel weitgehend eingestellt. In der Energiewirtschaft erfolgte unter anderem der systematische Ausbau von Donaukraftwerken (Donaukraft). Nach Fertigstellung des Atomkraftwerks Zwentendorf wurde dessen Inbetriebnahme durch eine Volksabstimmung am 5. 11. 1978 verhindert. Erdgas und Erdöl spielten eine immer größere Rolle in der Energieversorgung. Die internationale Ölkrise 1973/74 beeinflusste die Wirtschaftslage wesentlich. Die Gewerbeordnung wurde 1974 modernisiert. Die Einkommen der Bauern sanken (Bauern mit mittleren Betrieben wurden zu Nebenerwerbsbauern). Die Reallöhne der Arbeitnehmer stiegen. Verbunden mit einer Umstellung der Lebensgewohnheiten (weitere Motorisierung, längere Urlaube, Zweitwohnsitze) nahm das Pendlerwesen zu.

Im Regionalbereich erfolgten Strukturänderungen durch Zusammenlegungen von Gemeinden (Niederösterreich, Kärnten), durch höhere Anforderungen an die Infrastruktur (Wasser, Kanäle, Abfälle) und im Sozialbereich (Kindergärten, Gesundheitsversorgung, Seniorenheime); Supermärkte begannen sich im Einzelhandel durchzusetzen.

Die Außenpolitik war auf rege Kontakte aufgebaut, 1975 fanden die SAL-Gespräche in Wien statt, 1979 wurde das SALT-II-Abkommen unterzeichnet (J. Carter und L. Breschnew in Wien), 1981 fand die Nord-Süd-Außenministerkonferenz in Wien statt. Mit der Fertigstellung der UNO-City 1979 wurde Wien neben New York und Genf 3. UNO-Sitz. Österreich beteiligte sich an der Konferenz von Helsinki (1975) und den nachfolgenden Treffen der KSZE; durch das Engagement Kreiskys wurden der Nahe Osten und die arabische Welt stärker in die österreichische Außenpolitik einbezogen (PLO-Büro in Wien, 1982 Besuch von M. Gaddhaffi; UN-Einsätze auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien). Die Beziehungen zu den kommunistischen Staaten wurden verbessert (besonders DDR, Polen, Ungarn, UdSSR), gespannt blieben die Beziehungen zur ČSSR und zu Jugoslawien (Kärntner Ortstafelkonflikt 1972, Volksgruppengesetz 1976).

Nicht zuletzt die Nahostkontakte machten auch Österreich zum Ziel des internationalen Terrors: 1973 Anschlag in Marchegg, 22. 12. 1975 OPEC-Anschlag durch Terroristen mit dem Anführer "Carlos", 13. 12. 1976 Überfall deutscher Terroristen auf eine Bank in Wien, 1977 Entführung des Industriellen W. M. Palmers und von Frau L. Böhm, 1. 5. 1981 Ermordung des Wiener Stadtrats H. Nittel, Anschlag auf El-Al-Maschine auf dem Flughafen Wien 1985.

Am 19. 7. 1975 verunglückte der Obmann der ÖVP K. Schleinzer mitten im Wahlkampf tödlich, neuer Parteiobmann wurde J. Taus. Obwohl die ÖVP in den Bundesländern erfolgreich war, erreichte die SPÖ unter Kreisky bei den Nationalratswahlen am 5. 10. 1975 wieder die absolute Mehrheit. Ab 1976 wirkte sich die SPÖ-Vorherrschaft vor allem durch personelle Entscheidungen bei Beamten und Funktionären immer deutlicher auf die Gestaltung des Staates aus. 1977 wurde die Volksanwaltschaft eingeführt. Finanzminister H. Androsch wurde Vizekanzler, geriet jedoch mit Kreisky in Konflikt. Verteidigungsminister K. Lütgendorf (bis 1977) führte eine Verkürzung der Wehrdienstzeit ein. Unter O. Rösch erfolgte eine Gliederung des Bundesheers nach Einsatztruppe und Landwehr. Große Manöver 1979 sollten den Erfolg des Umbaus beweisen. Die Frage einer besseren Ausrüstung führte zu harten Diskussionen.

Die Wirtschaft geriet ab 1977 in Schwierigkeiten, bei VOEST und VEW wurde dies vorerst durch eine Expansion überdeckt, kritisch wurde die Lage für die übrige Schwerindustrie und den Textilbereich (1978 Konkurs der Vöslauer AG). Neue Betriebe wurden mit großzügigen Subventionen angesiedelt (Motorenwerk in Wien-Aspern 1982, Philips-Videowerk in Wien-Liesing), Großinsolvenzen (Eumig 1978) vernichteten viele Arbeitsplätze; die Krise wurde ab 1978 bei Betrieben der CA und ab 1980 auch der Länderbank deutlich, die Betriebe der ÖIAG hatten mit Absatzrückgängen und verstärkter ausländischer Konkurrenz zu kämpfen. Das Eindringen von Korruption und Kriminalität in Politik und öffentlicher Wirtschaft wurde an mehreren großen Skandalen sichtbar: AKH-Skandal 1980, Wohnbau Ost 1982, Lucona-Skandal.

Ab Mitte der 70er Jahre wuchsen Budgetdefizite und Staatsverschuldung, 1982 erreichte die Budgetkrise einen ersten Höhepunkt. Auch die Bilanz des Außenhandels, der vielfach nur durch Kredite an die Oststaaten (Polen, DDR) in Schwung gehalten werden konnte, verschlechterte sich; der Rückgang des Bauwesens verstärkte die Arbeitslosigkeit, die 35-Stunden-Woche wurde diskutiert. Trotz der ungünstigen Wirtschafts-Lage wurden die staatlichen Ausgaben für Sozialmaßnahmen erhöht; vor allem der Ausbau von Spitälern führte zu enormen Kosten im Gesundheitswesen.

Bei den Nationalratswahlen 1979 erreichte die SPÖ unter Kreisky mit 95 Mandaten ihr bestes Ergebnis, die ÖVP erhielt 77, die FPÖ 11 Mandate. J. Taus trat als Obmann der ÖVP zurück, sein Nachfolger wurde A. Mock, in der FPÖ folgte auf F. Peter 1978 A. Götz als Obmann, 1980 N. Steger. Als neue Parteien entstanden 1982 die Vereinten Grünen und die Grün-Alternativen. Bei der Regierungsbildung kamen mehr Frauen ins Kabinett, 1981 schied H. Androsch wegen des anhaltenden Konflikts mit Kreisky aus der Regierung aus und wurde CA-Generaldirektor

Der 1974 nach dem Tod von F. Jonas als Kandidat der SPÖ zum Bundespräsident gewählte R. Kirchschläger wurde 1980 ohne Gegenkandidaten der ÖVP mit 80 % der Stimmen wiedergewählt und erlangte in Österreich und international hohes Ansehen.

5) Die Koalitionsregierungen 1983-94: Bei den Nationalratswahlen vom 24. 4. 1983 verlor die SPÖ mit 90 Mandaten die absolute Mehrheit, die ÖVP erreichte 81 Mandate, die FPÖ 12. Kreisky zog sich aus der Politik zurück, sein Nachfolger F. Sinowatz bildete eine kleine Koalition mit der FPÖ, der zahlreiche Ämter überlassen wurden (Vizekanzler, Handelsministerium, Verteidigungsministerium, Justizministerium). In der SPÖ erfolgte ein Generationswechsel (Minister K. Blecha, H. Zilk, H. Moritz, H. Fischer). Eine wesentliche Forderung der FPÖ war der Privilegienabbau für beamtete Politiker, auch der Umweltschutz erhielt steigenden Stellenwert. Seit der Hainburger-Au-Besetzung im Dezember 1984 stieß auch der weitere Kraftwerksausbau an der Donau auf Widerstand. Die Ideen der Grünbewegung (grüne Parteien) begannen auf alle Parteien einzuwirken.

Nach der Verhinderung der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf 1978 wurden nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (UdSSR, heute Ukraine) am 26. 4. 1986 alle weiteren Spekulationen um die Atomenergie in Österreich hinfällig. Um die Infrastruktur von Zwentendorf zu nützen, wurde in Dürnrohr im Tullnerfeld ein großes kalorisches Kraftwerk gebaut.

Das schwerste Problem der Regierung war die Krise der ÖIAG; auch die Steyr-Werke gerieten in Schwierigkeiten, durch Frühpensionierungsaktionen für ältere Arbeitnehmer wurden Kündigungen in größerem Ausmaß vermieden. Eine tendenzielle Verbesserung 1984 wurde 1985 durch Fehlspekulationen der VOEST-Tochter Intertrading zunichte gemacht, der VOEST-Vorstand trat geschlossen zurück; dann erfolgte eine Umgliederung des Konzerns.

In der Budgetpolitik wollte man die Neuverschuldung des Staates einbremsen und die Schulden der Kreisky-Ära reduzieren. Auf regionaler Ebene kam dies der ÖVP politisch zugute, während der Fall Androsch die SPÖ belastete. Im Herbst 1984 wurde F. Vranitzky Finanz- und L. Gratz Außenminister.

1986 endete die zweite Amtsperiode von Bundespräsident R. Kirchschläger. Der folgende Wahlkampf stand im Zeichen der Auseinandersetzung um die Vergangenheit des ÖVP-Kandidaten K. Waldheim als Offizier der deutschen Wehrmacht; dieser gewann zwar am 8. 6. 1986 die Wahl, blieb aber vor allem im Ausland umstritten (Aufnahme in die "watchlist" der Vereinigten Staaten von Amerika, Reduktion der diplomatischen Beziehungen Israels zu Österreich). Eine internationale Historikerkommission fand 1987/88 keine belastenden Fakten, Waldheim blieb aber isoliert.

Am 16. 6. 1986 trat F. Sinowatz als Bundeskanzler zurück; sein Nachfolger wurde F. Vranitzky. In der FPÖ kam es zur Ablöse des Parteiobmanns N. Steger durch J. Haider. Die SPÖ kündigte am 15. 9. 1986 die Koalition mit der FPÖ auf. Bei den Nationalratswahlen vom 23. 11. 1986 blieb die SPÖ trotz Verlust von 10 Mandaten stärkste Partei, die ÖVP fiel von 80 auf 77 Mandate, die FPÖ erreichte 18 statt bisher 12 Mandate, die Grüne Alternative 8 Mandate. Daraufhin bildeten SPÖ und ÖVP eine große Koalition, formell bestand Parität, aber die SPÖ verfügte über wichtigere Positionen (Finanzen, Inneres, Soziales), A. Mock wurde Vizekanzler und Außenminister.

Die Struktur des Bundesheers fand bei den Jungmännern wenig Zustimmung, die Tendenz zum Zivildienst nahm zu. Die Auflösung des Ostblocks (1989-91) und der Jugoslawienkrieg (1991-95) zeigten aber die Bedeutung des Bundesheers.

Unter Justizminister E. Foregger wurden der Lucona-Prozess und der Noricum-Prozess geführt; Blecha und Gratz traten als Minister ab.

Auf dem Verkehrssektor erfolgten der Bau der U-Bahn in Wien und die Verbesserung des Bahnverkehrs, der Flughafen Wien wurde ausgebaut, der weitere Autobahnbau stieß auf Widerstand der Umweltschützer (Pyhrn-Autobahn).

In der Wirtschaftspolitik wurde auf die EG-Mitgliedschaft hingearbeitet. Nach bescheidenem Wachstum 1982-87 erfolgte 1988/89 ein großer Konjunktursprung trotz Auflagen für den Umweltschutz, die die Betriebe belasteten. Auch die Sanierung der verbliebenen verstaatlichten Industrie verlief aussichtsreich, die stabile Währungspolitik orientierte sich an der D-Mark. In den Jahren 1989 und 1993 traten Steuerreformen in Kraft, die Beschäftigtenzahlen stiegen, zusätzliche ausländische Arbeitskräfte wurden benötigt. Rückschläge gab es 1992 durch die Defizite der AMAG und die Auflösung der Austrian Industries. Der Auslandseinfluss nahm zu, nur dadurch konnten Arbeitsplätze in der Industrie geschaffen werden (BMW in Steyr, Chrysler in Graz). Dennoch sank die Zahl der Industrie-Beschäftigten 1974-94 von 680.000 auf 480.000, der öffentliche Dienst hingegen benötigte 1994 bereits 700.000 Dienstnehmer. Enorme Defizite entstanden bei den Österreichischen Bundesbahnen, 1994 wurden sie zu einem eigenen Wirtschaftskörper, Bemühungen um die "Neue Bahn" (Semmering-Basistunnel, Brenner-Basistunnel, Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene, Verkehrsverbünde) brachten keine grundlegenden Verbesserungen, auch die Erhaltung der Nebenbahnen verursachte Abgänge. Bei den Banken erfolgten Zusammenschlüsse (Zentralsparkasse und Länderbank zur Bank Austria, Konzentrationen bei Sparkassen).

Die Veränderung des Bevölkerungsaufbaus ist durch höhere Lebenserwartung, geringere Anzahl von Kindern (1988 gab es 500.000 Kinder weniger als 1971) und bis Mitte der 90er Jahre durch eine relativ hohe Zuwanderungsrate (1981-91 216.000) gekennzeichnet. Weiter zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen, hohe Scheidungsraten und Ansteigen von Single-Haushalten drängen die traditionelle Familienstruktur in den Hintergrund. Die hohe Lebenserwartung und die Zunahme von Frühpensionen führten zu steigenden Defiziten bei den Pensionsversicherungen, deren Reform 1988 begonnen wurde. Die 1993 beschlossene Pflegeversicherung brachte eine erste systematische Regelung der Unterstützung pflegebedürftiger Personen, zeigte aber auch die Grenzen der Finanzierbarkeit des Wohlfahrtsstaats auf. Maßnahmen gegen die stark steigenden Spitalskosten (Krankenhäuser) blieben ohne Erfolg. Dem zunehmenden Umweltbewusstsein wurde durch neue Gesetze entsprochen (Umweltpolitik), im Bereich der Abfallwirtschaft kam Mülltrennung und Recycling erhöhte Bedeutung zu.

Der Medienbereich veränderte sich infolge von wirtschaftlicher Liberalisierung und verstärktem Wettbewerb um Verbreitungsanteile. 1992 gab es in 94 % aller österreichischen Haushalte mindestens ein Farbfernsehgerät; durch Satelliten- und Kabelfernsehen wurde die Monopolstellung des ORF geschwächt. Auf ORF-Generalintendant T. Podgorski folgte 1990-94 nochmals eine Ära Bacher, unter G. Zeiler wurde der ORF den internationalen Tendenzen angepasst. Bei den Zeitungen profitierte vor allem die Boulevardpresse vom verstärkten Wettbewerb, neben der wirtschaftlich erfolgreichsten österreichischen Zeitung, der "Neuen Kronen Zeitung", etablierten sich "täglich Alles" und "Die ganze Woche"; im Bereich der niveauvollen Tageszeitungen trat 1988 der neugegründete "Standard" in Konkurrenz zur "Presse" und zur Bundesausgabe der "Salzburger Nachrichten" (Presse).

Im Kulturbereich endete für die Salzburger Festspiele mit dem Tod H. von Karajans 1989 eine Epoche; G. Mortier gab neue Impulse. Auch in den anderen Bundesländern wurden die Vielfalt und das Niveau des kulturellen Angebots gesteigert. Zu den Bregenzer Festspielen kamen als weitere Großveranstaltungen der Carinthische Sommer in Kärnten, das Brucknerfest in Oberösterreich ("Ars Electronica", Klangwolke), das Donaufestival in Niederösterreich, der "steirische herbst" und die "styriarte" in der Steiermark sowie die Festwochen Alter Musik in Innsbruck (Tirol). Als Burgtheaterdirektor verlieh C. Peymann ab 1986 diesem Theater ein unverkennbares Gepräge, blieb aber in seiner Spielplangestaltung (zahlreiche Inszenierungen von österreichischen Dramatikern der Gegenwart, wie T. Bernhard, P. Handke, E. Jelinek) umstritten. 1987 wurde die Europalia in Belgien von Österreich gestaltet. Eine Phase der Modernisierung erlebten die Bundesmuseen ("Museumsmilliarde"); mit der Sammlung Leopold erwarb der Staat 1994 wichtige Kunstwerke der österreichischen Moderne.

Besonders stark waren die Veränderungen im Bereich der Kirchen. Die katholische Kirche (1991 78 % der Bevölkerung) leidet unter zunehmendem Priestermangel und fehlendem Ordensnachwuchs. Sowohl die Zahl der Mitglieder der christlichen Kirchen als auch die Zahl der aktiven Teilnehmer im kirchlichen Leben ist rückläufig. Islamische Moscheen entstanden in Vorarlberg und Wien. 1983 und 1989 besuchte Papst Johannes Paul II. Österreich; Kardinal F. König, der in der Kirche eine aufgeschlossene Haltung gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen vertreten hatte, trat 1985 als Erzbischof von Wien altersbedingt zurück; mit seinem Nachfolger H. H. Groër begannen Ernennungen konservativer Bischöfe (1989 G. Eder in Salzburg und K. Küng in Feldkirch, 1991 K. Krenn in St. Pölten).

Nachdem die EFTA durch den 1972 erfolgten Übertritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands zur EWG geschwächt worden war (die restlichen EFTA-Länder, also auch Österreich, hatten im selben Jahr Zollerleichterungen erwirkt), bewarb sich Österreich 1989 um Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft und nahm bereits an Brüsseler Programmen im Forschungsbereich (Eureka) teil.

Im Herbst 1989 veränderte die Ostöffnung das außenpolitische Umfeld, Ungarn und die Tschechoslowakei (ab 1. 1. 1993 Spaltung in Tschechien und Slowakei) wurden demokratische Staaten. Jugoslawien geriet ab 1991 in einen dramatischen Auflösungsprozeß, der zu einem jahrelangen Bürgerkrieg im Südosten von Österreich führte; der Krieg verlagerte sich von Slowenien nach Kroatien, dann nach Bosnien, von dort kamen viele Flüchtlinge nach Österreich; mit der Aktion "Nachbar in Not" schuf Österreich wirkungsvolle Hilfsmaßnahmen für die Zivilbevölkerung im ehemaligen Jugoslawien. Durch den Zustrom von Asylwerbern und durch illegale Einwanderung nahm in den 90er Jahren der Ausländeranteil weiter zu. Im Jänner 1993 wurde auf Forderung der FPÖ das Volksbegehren "Österreich zuerst" abgehalten; im selben Jahr wurde ein strengeres Aufenthaltsgesetz beschlossen (später noch verschärft).

Nach dem Zerfall der kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa wurde die Abschaffung der Neutralität diskutiert; Überflüge wurden bei UN-Einsätzen erlaubt (Golfkrieg 1991). 1990 fielen mit Zustimmung der Signatarmächte einige Bestimmungen des Staatsvertrags weg, doch bleibt das Verbot von ABC-Waffen für Österreich aufrecht.

Bei den Nationalratswahlen vom 7. 10. 1990 behielt die SPÖ 80 Mandate, die ÖVP sank von 77 auf 60 Mandate, die FPÖ erhöhte den Mandatsstand von 18 auf 33, die Grünen erhielten 10 Mandate. Die große Koalition wurde mit neuen Ministern fortgesetzt.

Seit 1991 nennt sich die SPÖ "Sozialdemokratische Partei"; die "Arbeiterzeitung", bis 1989 Parteizeitung, wurde 1991 eingestellt, das Verlagshaus Vorwärts aufgegeben; SPÖ-Obmann wurde 1988 F. Vranitzky als Nachfolger von F. Sinowatz. Auf A. Mock folgte J. Riegler als ÖVP-Obmann (1989), nach der schweren Wahlniederlage 1990 übernahm E. Busek die Führung. Ihre aggressive Oppositionspolitik brachte der FPÖ laufend Stimmengewinne, J. Haider wurde Landeshauptmann von Kärnten, aber nach kurzer Zeit 1991 abgewählt; 1993 spaltete sich das Liberale Forum mit Heide Schmidt und 5 Abgeordneten von der FPÖ ab. Die Grüne Alternative, bis 1988 von F. Meissner-Blau geleitet, konnte in der Folge unter M. Petrovic bis 1994 die Stagnation überwinden. Bei der KPÖ trat 1990 Obmann F. Muhri zurück, die Nachfolger schafften das Zentralkomitee ab, die "Volksstimme" wurde 1992 als Tageszeitung eingestellt.

Dieselben Tendenzen (Schwächung von ÖVP und SPÖ, Gewinne der FPÖ, Mandate für Grüne und Liberale) kennzeichneten in den 90er Jahren auch die Regionalpolitik auf Ebene der Länder und Gemeinden. Die ÖVP verlor die absolute Mehrheit 1991 bei den Landtagswahlen in der Steiermark und in Oberösterreich sowie 1993 in Niederösterreich; in Wien war die FPÖ bereits 1991 zur zweitstärksten Partei aufgestiegen. Auf H. Zilk folgte 1994 M. Häupl als Wiener Bürgermeister; 1996 verlor die SPÖ die absolute Mehrheit in Wien.

Am 24. 5. 1992 wurde T. Klestil als ÖVP-Kandidat zum Bundespräsidenten gewählt, stärker als sein Vorgänger Waldheim konnte er innen- und außenpolitische Akzente setzen; 1998 wurde Klestil für eine 2. Amtsperiode wiedergewählt.

In einer Wahlrechtsreform wurden 1993 9 statt 45 Wahlkreise festgelegt, für Kleinparteien wurde die 4-%-Klausel eingeführt.

Die Nationalratswahl vom 9. 10. 1994 beendete die ab 1945 bestehende Übermacht von 2 dominierenden Großparteien. Die Regierungsparteien verloren massiv, die SPÖ sank auf 35,4 % der Stimmen und 65 statt 80 Mandate, die ÖVP auf 27,7 % und 52 statt 60 Abgeordnete, während die Oppositionsparteien zulegen konnten. Die FPÖ kam mit 22,6 % und 42 Mandaten der ÖVP nahe, die Grünen erhielten 7 % der Stimmen und 13 Mandate, das Liberale Forum zog mit 5,7 % der Stimmen und 11 Mandaten in den Nationalrat ein. Die Koalitionsparteien verloren im Parlament die Zweidrittelmehrheit; SPÖ und ÖVP bildeten wieder eine Koalitionsregierung, deren vordringlichstes Ziel die Sanierung des Budgets wurde.

6) Mitgliedschaft in der Europäischen Union seit 1995: Die Verhandlungen um den EU-Beitritt Österreichs wurden 1993 konkret aufgenommen. 1994 trat der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) in Kraft, dem alle EU-Staaten und alle EFTA-Staaten (mit Ausnahme der Schweiz) angehören. Die Beitrittsverhandlungen Österreichs zur Europäischen Union kamen 1994 zum Abschluss, die Volksabstimmung am 12. 6. 1994 brachte mehr als 65 % Zustimmung. Der Beitritt erfolgte am 1. 1. 1995, erster österreichischer EU-Kommissar wurde F. Fischler (Agrarressort, später auch Fischerei).

Im Frühjahr 1995 wurde die Regierung zweimal umgebildet (SPÖ im April; ÖVP im Mai: auf E. Busek folgte der neue ÖVP-Obmann W. Schüssel als Vizekanzler und wurde Außenminister). Auseinandersetzungen bei der Budgeterstellung für die Jahre 1996 und 1997 (Erfüllung der Konvergenzkriterien für die Einführung der gemeinsamen EU-Währung Euro) führten zu Neuwahlen am 17. 12. 1995. Die SPÖ erhielt 71 Mandate, die ÖVP 53, die FPÖ 40, die Grünen 9 und das Liberale Forum 10 Mandate.

Die Koalition SPÖ-ÖVP wurde fortgesetzt, neuer Finanzmin. wurde V. Klima, dessen Maßnahmen für das Doppelbudget 1996 und 1997 die Erreichung der Kriterien für den Euro ermöglichten. Klima folgte im Jänner 1997 Vranitzky als Bundeskanzler, R. Edlinger wurde Finanzminister. Maßnahmen im Bereich der Pensions- und Krankenversicherungen brachten die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Sozialversicherung und weitgehende Änderungen bei den Ruhebezügen der Beamten.

In der Wirtschaft betrafen dramatische Veränderungen die Genossenschaften (Insolvenz des Konsum 1995; Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in engem Zusammenhang mit dem EU-Beitritt). Im Bankensektor erwarb die Bank Austria die Mehrheit an der Creditanstalt von der Republik Österreich Die Erste österreichische Spar-Casse-Bank fusionierte mit der GiroCredit zur Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen. Steigende Exporte stützen die Konjunktur bei sehr niedrigen Inflationsraten. Weltweite Konzentrationsprozesse haben auch ihre Auswirkungen auf Firmen und Betriebe in Österreich

Die katholische Kirche Österreichs befindet sich in Veränderung. 1995 trat Kardinal Groër als Erzbischof von Wien zurück, Nachfolger wurde C. Schönborn. Das Kirchenvolksbegehren von 1996 versucht, Forderungen der Laien an die Amtskirche zur Geltung zu bringen, und wurde zum Vorbild ähnlicher Aktionen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika.

1996 wählte Österreich erstmals in direkter Wahl seine Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Für das zweite Halbjahr 1998 übernahm Österreich erstmals den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Seit 1. 1. 1999 ist die österreichische Währung der Euro (der Schilling ist nur noch Hilfswährung). Die FPÖ setzte ihren Aufstieg fort: Bei den Landtagswahlen in Kärnten wurde sie zur stärksten Partei und J. Haider neuerlich Landeshauptmann; bei den Nationalratswahlen am 3. 10. 1999 erhielt sie 26,91 % der Stimmen (52 Mandate) und wurde (knapp vor der ÖVP, ebenfalls 26,91 % und 52 Mandate) zur zweitstärksten Partei. Stärkste Partei blieb trotz Verlusten die SPÖ (33,15 %, 65 Mandate). Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP scheiterten nach monatelangen Verhandlungen. Die Bildung einer Regierung im Februar 2000 von ÖVP und FPÖ unter Bundeskanzler Schüssel führte im Inland zu Demonstrationen; gravierender waren die außenpolitischen Folgen der FPÖ-Regierungsbeteiligung ("Sanktionen" der anderen EU-Länder). An der Spitze der FPÖ folgte auf J. Haider Vizekanzlerin S. Riess-Passer. Die SPÖ ging nach 30 Jahren an der Regierung in Opposition; neuer Bundesparteivorsitzender wurde A. Gusenbauer. Hauptproblem der neuen Regierung bleibt weiterhin die Budgetkonsolidierung.



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Zweite Republik: "Treue zu Österreich!" Wahlplakat der Österreichischen Volkspartei anläßlich der Nationalratswahl 1945.




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Zweite Republik: "Rentenklau". Wahlplakat der Sozialistischen Partei Österreichs anläßlich der Nationalratswahl 1953.




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Zweite Republik: Ungarnflüchtlinge bei Andau, Bgld., 1956. Foto.




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Zweite Republik: Besetzung der Stopfenreuther Au zur Verhinderung des Baus des Donaukraftwerks Hainburg, 1984.




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Zweite Republik: Unterzeichnung des Beitrittsvertrags zur Europäischen Union durch Bundeskanzler F. Vranitzky und Außenminister A. Mock in Korfu am 24. Juni 1994. Foto.



Literatur: E. Weinzierl und K. Skalnik (Hg.), Das neue Österreich, Geschichte der 2. Republik, 1975; K. Gutkas, Die 2. Republik, Österreich 1945-85, 1985; H. Portisch und S. Riff, Österreich II, 3 Bände, 1985/86/96; M. Rauchensteiner, Die Zwei, 1987; H. Dachs und andere (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreich, 1991; A. Pelinka, Die Kleine Koalition SPÖ-FPÖ 1983-86, 1993; E. Hanisch, Der lange Schatten des Staates 1890-1990. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, 1994; H. Neisser, Unsere Republik auf einen Blick, 1996; G. Stourzh, Um Einheit und Freiheit: Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-West-Besetzung Österreichs 1945-1955, 41998; R. Kriechbaumer (Hg.), Die Spiegel der Erinnerung - Österreichische Nationalgeschichte nach 1945, Band 1: Die Sicht von innen, 2000.


Verweise auf andere Alben:
Video-Album: Bundeskanzler Josef Klaus zu Fragen der Neutralität und EWG, 1966.

 
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