TU Graz

Hinweis:

Das ist ein alter - nicht mehr gewarteter - Artikel des AEIOU.

Im Austria-Forum finden Sie eine aktuelle Version dieses Artikels im neuen AEIOU.

https://austria-forum.org Impressum

bm:bwk
Österreich Lexikon
Österreich Lexikon
home österreich-alben suchen annotieren english
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


Suchenwirt, Peter - Sulzer, Balduin (14/25)
Südsteiermark Südtirol-Abkommen

Südtirol, "Alto Adige"


© Copyright

Südtirol: Schloß Tirol bei Meran.




Südtirol, italienisch "Alto Adige", 1948-72 amtliche deutsche Bezeichnung "Tiroler Etschland", ehemals zu Österreich, seit 1919 zu Italien gehörender Teil von Tirol südlich des Brenner; 7400 km2, 422.900 Einwohner (1991). In den größeren Städten (Bozen, Meran, Brixen) italienische Bevölkerungsmehrheit, die ländliche Bevölkerung großteils mit deutscher Muttersprache (1991: 68 % deutschsprachig, 27,6 % italienischsprachig, 4,4 % ladinisch). In der Wirtschaft dominiert der Fremdenverkehr (24,8 Millionen Übernachtungen, 3,9 Millionen Gäste, davon die Hälfte aus Deutschland).

Südtirol ist Sitz einer alten und reichen Kultur. In St. Prokulus (Naturns) besitzt Südtirol die ältesten kirchlichen Fresken im deutschsprachigen Raum. Die 1972/73 freigelegten Wandgemälde im Schloss Rodeneck gelten als die ältesten Fresken profanen Inhalts in Europa. Aribo aus Obermais bei Meran verfasste um 770 die älteste deutsche Sprachkunde. Im Schloss Obermontani im Vinschgau wurde eine Niederschrift des Nibelungenlieds gefunden, und Hans Ried von Bozen zeichnete die einzige überlieferte Handschrift des Gudrunlieds auf. Walther von der Vogelweide stammt mit größter Wahrscheinlichkeit aus Lajen im Eisacktal, von wo auch Oswald von Wolkenstein herkam. Ebenso sind M. Pacher, P. Troger und J. P. Fallmerayer Südtiroler. Zu den bedeutendsten modernen Künstlern zählen P. Flora und K. Plattner. Der gotische Kreuzgang von Brixen gilt als das bedeutendste Denkmal der alpenländischen Wandmalerei. Südtirol zählt über 130 Burgen und Schlösser. Daneben blühte bald eine reiche Stadtkultur auf (Meran, Sterzing, Klausen).

1920 wurde die heimatkundliche Zeitschrift "Der Schlern" gegründet. Das 1954 geschaffene Südtiroler Kulturinstitut in Bozen veranstaltet jährlich Ausstellungen, Autorenlesungen, landeskundliche und pädagogische Tagungen sowie Gastspiele ausländischer Bühnen und Orchester.

Die Ladiner sind in den 4 Dolomitentälern Gadertal, Gröden, Fassatal, und Ampezzo-Buchenstein angesiedelt und auf die 3 Provinzen Bozen, Trient und Belluno aufgeteilt.

Seit 1945 gibt es neben den italienischen Schulen in Südtirol wieder ein deutschsprachiges und auch ein italienisch-deutsch-ladinisches Schulwesen.

Geschichte: Bis 1919 war Südtirol ein wesentlicher Bestandteil von Tirol. Entgegen den 14 Punkten Wilsons und entgegen dem Wunsch der Bevölkerung wurde durch den Friedensvertrag von Saint-Germain 1919 nicht nur das italienischsprachige Trentino, sondern auch das deutschsprachige Südtirol von Salurn bis zum Brenner Italien zugesprochen. Sehr bald wurde (vor allem auf Initiative des Trentiners E. Tolomei) mit der Italianisierung des Landes begonnen (zuerst der Ortsnamen, der Schulen usw.), die nach der Machtergreifung Mussolinis (1922) besonders vorangetrieben wurde: Abschaffung der einheimischen Gemeindeverwaltungen, Einsetzung von italienischen Amtsbürgermeistern, Verbot deutschsprachiger Schulen und des deutschsprachigen Privatunterrichts, Verbot der deutschen Sprache in den Ämtern und im öffentlichen Leben, Italianisierung der Familiennamen, Verdrängung der einheimischen Volksgruppe aus den öffentlichen Stellen. Durch italienische Zuwanderung sollte die Italianisierung gefördert werden, die Zahl der Italiener stieg vor allem in den Städten stark an. 1939 schloss Hitler mit Mussolini ein Abkommen über die Umsiedlung der Südtiroler. In der durch italienische Zwangsmaßnahmen und deutsche Propaganda geförderten Option entschieden sich 213.000 Südtiroler (86 % der deutschsprachigen und ladinischen Bevölkerung) für die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis 1943 wanderten 70.000 Südtiroler, vornehmlich unselbständig Erwerbstätige aus den Städten und Talorten, ab. Im September 1943 erfolgte die deutsche Besetzung Südtirols und der benachbarten italienischen Provinzen.

Nach Kriegsende im Mai 1945 wurde in Bozen die Südtiroler Volkspartei gegründet, die das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol verlangte. In einer Unterschriftenaktion forderten die Südtiroler einmütig die Rückkehr zu Österreich (156.628 Unterschriften, faktisch die gesamte erwachsene bodenständige Bevölkerung). Diese Forderung wurde von Österreich auf der Pariser Friedenskonferenz vertreten, aber 1946 von den Alliierten abgelehnt. Hierauf erfolgte der Abschluss des Pariser Abkommens zwischen Österreich und Italien, das als Annex in den italienischen Friedensvertrag von 1947 aufgenommen wurde. Das Abkommen wurde besonders hinsichtlich der Autonomie nur mangelhaft erfüllt, Südtirol durch das Autonomiestatut von 1948 mit dem italienischsprachigen Trentino zu einer gemeinsamen Region zusammengeschlossen, in der die Italiener eine 5 : 2-Mehrheit besitzen; gleichzeitig kamen die zum geschlossenen deutschen Sprachgebiet gehörenden Teile der Provinz Trient an die Provinz Bozen, ebenso das "Unterland" südlich von Bozen sowie die 4 deutschen Gemeinden im oberen Nonsberg und die 2 deutschen Gemeinden des Fleimstals. Innerhalb der Region genießen die Provinzen Bozen und Trient ihrerseits eine Autonomie mit Landesregierung, Landtag und Gesetzgebungsrechten. Die Optantenfrage wurde im Wesentlichen befriedigend gelöst; bezüglich des deutschsprachigen Schulwesens, das bereits 1945 von den Alliierten wiedereingeführt worden war, wurde der Pariser Vertrag zufriedenstellend erfüllt. Doch in Sprache, öffentlicher Verwaltung, Vergabe von Volkswohnungen, Stellenbesetzung, vor allem aber in der Autonomiefrage gab es Anlass zu Beschwerden, die jedoch in Rom lange Zeit trotz der zahlreichen diplomatischen Interventionen Österreichs kein Gehör fanden. Die Verhandlungen über die Durchführung des Pariser Vertrags führten lange zu keinem Abschluss, von radikalen Südtirolaktivisten wurden Bombenanschläge verübt. Erst am 22. 11. 1969 hat die Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei die Verhandlungsergebnisse ("Südtirol-Paket") mit knapper Mehrheit angenommen. Die Vertreter Südtirols bemühten sich von da an, die Zugeständnisse Roms in die Praxis umzusetzen. Mit der Zustimmung der Landesversammlung der SVP zur Durchführung des Südtirol-Pakets am 30. 5. 1992 und mit der Abgabe der Streitbeilegungserklärung Österreichs vor der UNO am 11. 6. 1992 fanden die Südtirolverhandlungen ihren formellen Abschluss.

Die erweiterten Autonomiebefugnisse verschafften den Südtirolern die Möglichkeit, sich auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet zu entfalten. Dabei konnten sie den Aufbau wichtiger Einrichtungen in Angriff nehmen, so die Errichtung von Museen, von Bibliotheken, von Musikkursen, einer Rundfunkanstalt für den Empfang von Sendungen aus dem deutschsprachigen Ausland und anderes mehr. Die Ausbildung von Akademikern und Fachkräften konnte durch eine effizientere Schulfürsorge gefördert werden. Dieser Wandel fand auch in der Bevölkerungsbewegung seinen Niederschlag.

Die Deutschsprachigen und die Ladiner in Südtirol sind im italienischen Parlament (Wahlen 1994) durch 3 Abgeordnete und 3 Senatoren (SVP), die Italienischsprachigen durch einen Senator (Neofaschisten = MSI/DN) vertreten; 3 Politiker aus der Provinz Bozen (SVP, Verdi/Grüne, MSI/DN) sind im Europaparlament. Im Südtiroler Landtag (Wahlen 1993) verfügen die SVP über 19 Abgeordnete und die Neofaschisten über 4, je 2 Abgeordnete besitzen die Verdi/Grünen, die Freiheitlichen, die Union für Südtirol, der Partito Popolare, je 1 Mandat die Lega Nord, der Partito Democratico della Sinistra, die Ladins und die Unione Centro. Die Neofaschisten sind mit Abstand die stärkste italienische Partei in Südtirol. Die Südtiroler Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann und 10 Landesräten. Den Landeshauptmann stellt die SVP (1948-55 K. Erckert, 1956-60 A. Pupp, 1960-89 S. Magnago, seit 1989 L. Durnwalder).

Kirchlich bildeten bis 1964 der nördliche Teil Südtirols bis Klausen sowie der Obervinschgau und das Gebiet um Ampezzo-Buchenstein das Bistum Brixen, zu dem bis 1925 auch der größte Teil von Nordtirol und Vorarlberg gehörten, während das untere Eisacktal und das Etschtal mit den Städten Bozen und Meran in den Bereich des Bistums Trient fielen. 1964 wurden die deutschsprachigen Dekanate des Bistums Trient mit dem Bistum Brixen zu einem "Bistum Bozen-Brixen" vereinigt. Die Diözesangrenzen entsprechen nun den Provinzgrenzen.


Bevölkerung Südtirols
Deutsch-
sprachige
Italienisch-
sprachige
Ladinerandere
1910223.9137.3399.42910.770
1921193.27127.0489.91024.506
1961232.717128.27112.594281
1971260.351137.75915.456475
1981279.544123.69517.7369.593
1991287.503116.91418.43417.657



Literatur: Südtirol in Not und Bewährung, herausgegeben von A. Ebner 1955; J. Kögl, Der Bozner Anteil der Kirche des heiligen Vigilius im Spiegelbild der Zahlen, 1956; A. Leidlmaier, Bevölkerung und Wirtschaft in Südtirol, 1958; W. und E. Frodl, Kunst in Südtirol, 1960; Südtirol, Eine Frage des europäischen Gewissens, herausgegeben von F. Huter, 1965; M. Forcher, Tirols Geschichte in Wort und Bild, 21984; K. Stuhlpfarrer, Umsiedlung Südtirols, 2 Bände, 1985; J. Gelmi, Kirchengeschichte Tirols, 1986; J. Fontana und andere, Geschichte des Landes Tirol, 4 Bände, 1985ff.; W. Freiberg, Südtirol und der italienische Nationalismus, 2 Bände, 1989f.; E. Baumgartner, H. Mayr und G. Mumelter, Feuernacht, 21992; Südtirol-Handbuch, 131994.


 
Hinweise zum Lexikon Abkürzungen im Lexikon
 
© Copyright Österreich-Lexikon

 

Suche nach hierher verweisenden Seiten
 
hilfe projekt aeiou des bm:bwk copyrights mail an die redaktion