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Volksgerichte - Volkstheater Deutsches (24/25)
Volkstanz Volkstheater Deutsches

Volkstheater, Altwiener


Volkstheater, Altwiener, zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Wiener Vorstadt in Emanzipation vom barocken Hoftheater als lokal gebundenes, volksnahes Pendant zum bürgerlichen Trauerspiel entstanden und während des fast 150-jährigen Bestehens untrennbar mit Wien verbunden. Wesentliche formale Konstanten: Personen von meist handwerklich-kleinbürgerlicher oder bäuerlicher Herkunft entwickeln sich von komischen Nebenfiguren zu Handlungsträgern (Wiener Mundart als Bühnensprache); private, alltagsbezogene Handlungen mit komischem, versöhnlichem, oft moralisierendem Ausgang; zahlreiche mimische, musikalische, tänzerische oder märchenhafte Einlagen und Stegreifspiel (Extemporieren); Stoffe und Themen meist aus der Trivialliteratur oder aus zeitgenössischen italienischen Opern. Das Altwiener Volkstheater war eng mit seinen Autoren und Darstellern verbunden: J. A. Stranitzky führte in die Haupt- und Staatsaktionen der italienischen Opernlibretti mit dem Hanswurst eine Figur aus dem Volk ein, die in ihrer derben Komik der Tradition der Commedia dell´arte (Arlecchino), der mittelalterlichen Fastnachtsspiele (Narr) und der englischen Komödianten (Pickelhering) verpflichtet war. 1711 fand Stranitzky im Wiener Kärntnertortheater eine feste Spielstätte für seine Truppe. G. Prehauser, für den P. Hafner Lokalpossen und Singspiele verfasste, sicherte das Fortleben Hanswursts auf den Wiener Vorstadtbühnen. Die Bemühungen der Zensur, das Stegreifspiel zu verbieten (so genannter "Hanswurststreit", 1747-83), belegen die Wirksamkeit dieses neuen volkstümlichen Theaters. Hanswurst lebte in der Bernardon-Figur des J. F. Kurz weiter und erlebte den Höhepunkt seiner Komik in dem von J. J. La Roche kreierten Kasperl, der im 19. Jahrhundert vor allem das volkstümliche Puppenspiel prägte. Mit den Erfolgen des Kasperl und seiner Variante als Thaddädl klang die Blütezeit der alten Volksnarrenkomik aus. Anfang des 19. Jahrhunderts, mit der aufkommenden bürgerlichen Mentalität, wurde das Altwiener Volkstheater durch J. A. Gleich, K. Meisl und A. Bäuerle erneuert. Gespielt wurde an den 3 Wiener Vorstadttheatern, dem Leopoldstädter Theater, dem Theater an der Wien und dem Theater in der Josefstadt, typisch waren Gleichs parodierende Possen und komische Lokalstücke, in denen Kasperl zunehmend durch komische Volksgestalten ersetzt wurde. Hauptvertreter der Wiener Lokalposse war K. Meisl, dessen Besserungsstücke Komik mit Belehrungs- und Erbauungsintentionen verbinden. A. Bäuerle, der mit über 80 Zauber- und Lustspielen als Vorläufer F. Raimunds gilt, schuf im Lustspiel "Die Bürger in Wien" (1813) mit der Figur des Staberl, einem Vorstadtwiener der Unter- und Mittelschicht, einen würdigen Nachfolger Kasperls. F. Raimund und J. Nestroy verhalfen dem Altwiener Volkstheater zu seiner Vollendung und zu literarischem Wert. Raimund verband barockes Zaubertheater und Wiener Volksposse, während Nestroy politisch und kritisch brisant schrieb. Sozioökonomische Änderungen in der Bevölkerungsstruktur Wiens durch die Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts entzogen dem Altwiener Volkstheater seinen Nährboden und sein Publikum, die aufkommende Operette übernahm allmählich die Unterhaltungsfunktion des Volksstücks, das ohne enge Wiener Lokalbindung mit L. Anzengruber, Ö. von Horváth, W. Bauer und P. Turrini eine Renaissance erfuhr.


Literatur: O. Rommel, Die Alt-Wiener Volkskomödie, 1952; M. Dietrich, Jupiter in Wien oder Götter und Helden der Antike im Altwiener Volkstheater, 1967; J. Hein, Das Wiener Volkstheater, 1978; P. Mertz, Wo die Väter herrschten. Volkstheater - nicht nur in Tirol, 1985; J. Hein (Hg.), Parodien des Wiener Volkstheaters, 1986; J.-M. Valentin (Hg.), Das österreichische Volkstheater im europäischen Zusammenhang. 1830-80, 1988; H. Aust, Volksstück. Vom Hanswurstspiel zum sozialen Drama der Gegenwart, 1989.


 
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