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Jugendherbergen - Jüngling vom Magdalensberg (7/25)
Jugendschutz Jugend und Volk, J & V

Jugendstil


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Jugendstil: Front des Hotels Wiesler in Graz. Zeichnung nach den Originalplänen.




Jugendstil, Kunstrichtung an der Wende zum 20. Jahrhundert, in Österreich eng mit den Begriffen Wiener Secession und Wiener Werkstätte verbunden. Spätphase des Historismus und Übergang zur Moderne. Die Spannweite des Jugendstils reicht vom einfachen Gebrauchsgegenstand bis zum großformatigen Wandmosaik, vom Schmuckstück bis zur Gartenvilla.

Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist in Österreich einerseits von einer entschiedenen Ablehnung der künstlerischen Verflachung durch Massenkunst und Oberflächlichkeit geprägt, andererseits bekannte man sich zur Qualität eines H. Makart, forderte aber die stete Erneuerung und Auffrischung. Bewusst orientierte man sich an den aktuellen Entwicklungen in England, Frankreich, Belgien und Deutschland. Diese Umbruchsphase, die in den 90er Jahren in Wien unter anderem durch die Gründung der Secession (1897) eingeleitet wurde, war die Basis für eine rasche und eigenständige Entwicklung, die große internationale Bedeutung erlangen sollte.

Vorbilder der Wiener Secession waren die Münchner (1892) und die Berliner (1893) Sezession. Ihre Ambitionen richteten sich gegen den Konservatismus an den Hochschulen und sollten eine Alternative zu den traditionellen Kunstvorstellungen des Wiener Künstlerhauses darstellen. Zu den neuen Idealen zählte nach englischem Vorbild auch die Hinwendung zum Handwerk (Qualitätsarbeit in geringer Stückzahl) sowie der Versuch einer Koordination industrieller und handwerklicher Produktion. Malerei, Architektur und Kunsthandwerk sollten erneut in einem engen, formalen und geistigen Zusammenhang stehen, der nicht durch industrielle Großproduktion bestimmt war. Ziel war das Gesamtkunstwerk unter der Führung der Architektur. Die Zentren der Donaumonarchie wurden zu den Umschlagplätzen der neuen Ideen. Während Prag, Budapest und Laibach Einflüsse (etwa aus Paris, Brüssel oder Berlin) sehr direkt aufnahmen und den Gestaltungsformen des Jugendstils ein starkes nationales Kolorit gaben, entwickelte sich in Wien durch den regen Zustrom von Kunstschaffenden aus allen Teilen der Monarchie eine "international" gefärbte Ausdrucksweise.

Anders als in den westlichen Ländern gab es in Wien keinen ausschließlichen Vertreter des floralen Jugendstils. Die für die Architektur bestimmende Schule O. Wagners vertrat eine strengere, zum Teil klassizistisch anmutende Linie. Einflüsse dazu kamen unter anderem aus der anonymen Architektur der Mittelmeerländer. Die hierorts bevorzugte geometrische Variante des Jugendstils zeichnete sich durch klare, meist symmetrisch angeordnete Baukörper und Öffnungen, strenge Achsen und übersichtliche Raumgliederung aus, oft in Verbindung mit Flachdächern. Auch J. M. Olbrichs Secessionsgebäude (1897-98) geht trotz des reichen floralen Schmucks auf diese Vorbilder zurück.

Das Ornament behielt vorerst seine Wichtigkeit für die Außengestaltung: Es artete sogar häufig (insbesonders in vielen unausgeführten Entwürfen der Wagner-Schüler) in üppigen, dekadent anmutenden Reichtum aus. Marmor, Glas, Majolika, Fliesen, Metallapplikationen, bunter Stuck, Vergoldungen sowie andere wertvolle Materialien dienten der äußeren Veredelung des Baukörpers.

Zu den Hauptwerken des Secessionismus in Wien zählen im Bereich der Architektur neben dem Secessionsgebäude O. Wagners Stadtbahnarchitektur, seine Wohnhäuser an der Wienzeile (Majolikahaus 1899), die Postsparkasse (1904-06) und die Kirche am Steinhof (1904-07), J. Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf (1904-06), weiters das Geschäftshaus Portois & Fix (1899) von M. Fabiani, das Haus Brandstätte 6 von J. Plečnik (1903-05) sowie zahlreiche Villen etwa von O. Schönthal, R. Oerley und E. Hoppe.

Dem neuen Bewusstsein der Architektur als der führenden Kunstform entspricht auch ein neues Selbstbewusstsein des Architekten, das sich im Anspruch auf vielseitige Tätigkeit zeigt. Nicht der nackte Baukörper allein war das architektonische Ziel, sondern das Gesamtensemble bis hin zur Gartengestaltung, zur Innenausstattung und zum kunsthandwerklichen Detail. In die Reihe dieser universell tätigen Architekten gehören O. Wagner, J. Hoffmann, J. M. Olbrich, J. Plečnik, L. Bauer, M. Fabiani, R. Oerley, O. Prutscher, J. Urban und andere.

Die Gründung der Wiener Werkstätte durch J. Hoffmann, K. Moser und F. Wärndorfer 1903, der Wiener Keramik durch M. Powolnyund B. Löffler 1906 und der Wiener Mosaikwerkstätte durch L. Forstner 1908 sowie das Bestehen anderer spezialisierter Werkstätten, wie zum Beispiel für Glasmalerei (C.Geylings Erben) vereinfachten den Weg vom Entwurf zur Ausführung und garantierten so die beste Verarbeitung.

Neben der Wiener Steinhofkirche von O. Wagner gilt als zweites monumentales Gesamtkunstwerk dieser Zeit das Palais Stoclet (1905-11) in Brüssel, in welchem unter der Führung des Architekten J. Hoffmann namhafte Künstler, darunter G. Klimt, L. Forstner, R. Luksch oder F. Metzner gemeinsam mit kunstgewerblichen Werkstätten ein Ensemble höchster Vollendung schufen.

Richtungweisend für die Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert wurde A. Loos, der in zahlreichen Aufsätzen und durch eigene Beispielgebung gegen jegliches Ornament und für funktionelle, "funktionierende" Architektur eintrat. Die noble Nüchternheit und vornehme Strenge des Außenbaus wurde im Inneren durch erlesene Materialien wie Marmor, seltene Hölzer und Edelmetalle in bester handwerklicher Verarbeitung veredelt. Zeugnisse seiner Tätigkeit sind das Café Museum (1899), die Kärntner Bar (1907) das Geschäftshaus für Goldman & Salatsch am Michaelerplatz (1909-11) und mehrere Geschäftsportale und -einrichtungen in Wien sowie Villenbauten im gesamten Bereich der Monarchie.

Wie in der Architektur trat Loos auch im Bereich des Kunstgewerbes für praktische, nützliche Einfachheit und beste Materialien ein. Statt des unnötigen Zierrats und Dekors sollte das Material selbst, etwa die Holzmaserung, sprechen. In engem Zusammenhang mit der Architektur und dem Kunstgewerbe stand die Skulptur des Jugendstils. Für eigenständige Freiplastiken gibt es nur wenige Beispiele, wie etwa den Mozart-Brunnen (1905) von K. Wollek oder den Karl-Borromäus-Brunnen (1909) von J. Engelhart und J. Plečnik in Wien. Die Vielzahl der Werke entstand als Bauplastik oder als Kleinplastik mit kunstgewerblichem Charakter. Zu den bedeutendsten österreichischen Bildhauern dieser Zeit zählten unter anderem F. Barwig, J. Engelhart, A. Strasser, F. Metzner, K. Wollek, R. Luksch und M. Powolny.

Die Gründung der Wiener Secession und insbesonders die Errichtung ihrer Ausstellungshalle brachte der Kunstszene eine Alternative zu den konservativen Richtlinien des Künstlerhauses und die Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen. Nicht nur die Mitglieder der Vereinigung, sondern auch zahlreiche ausländische Künstler (unter anderem C. Meunier, M. Klinger, A. Rodin, F. Hodler, C. R. Mackintosh) konnten hier ihre Arbeiten präsentieren. Wortführer und erster Präsident wurde G. Klimt. 1900 kam es zu einer weiteren Loslösung einer Gruppe von Künstlern aus der Künstlerhaus-Vereinigung und zur Gründung des Hagenbundes. 1902 eröffnete dieser sein eigenes Ausstellungsgebäude, die von J. Urban errichtete Zedlitzhalle.

Das verbesserte Angebot an Ausstellungsmöglichkeiten trug wesentlich zur freien Entfaltung auch der Malerei bei. Anders als das von der Architektur relativ stark abhängige Kunstgewerbe oder die Bildhauerei konnte sich die Malerei eigenständig weiterentwickeln. Künstler wie G. Klimt, C. Moll, W. Bernatzik, F. von Myrbach, J. Engelhart, E. Schiele, R. Jettmar, M. Kurzweil, W. List, K. Moser, F. Matsch, O. Kokoschka, F. Andri, L. H. Jungnickel, A. Roller, R. Geyling, L. Forstner prägten Malerei und Graphik des Jugendstils in Österreich.

Der Beschäftigung mit impressionistischer (G. Klimt, C. Moll, W. Bernatzik) oder symbolistischer (R. Jettmar) Formensprache stehen vor allem in den Reihen der jüngeren Künstler erste expressionistische Versuche (E. Schiele, R.Gerstl, O. Kokoschka) gegenüber. Große Bedeutung kam dem dekorativen Charakter des Bildes zu. Figürliches, florales oder geometrisch-abstraktes Ornament diente häufig als Flächendekor. Die Anlehnung etwa an japanische Farbholzschnitte ist insbesonders in der Graphik zu bemerken. Wichtige Aufgabenbereiche der Graphik wurden Werbung und Plakat, Illustration und Buchmalerei sowie Schrift- und Textilgestaltung.

Bedeutende österreichische Künstler wie A. Roller oder R. Teschnerwaren auch mit großem Erfolg im Theaterbereich mit Entwurf und Gestaltung von Bühnenbildern und Kostümen beschäftigt.

Das Ende des Jugendstils in Österreich markieren der 1. Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie. 1918, das Jahr des Kriegsendes, war auch das Todesjahr von 4 der größten Künstler des Jugendstils, O. Wagner, G. Klimt, K. Moser und E. Schiele.



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Jugendstil: K. Moser, Plakat zur Eröffnung des Jung-Wiener Theaters zum lieben Augustin, 1924.



Literatur: W. Neuwirth, Das Glas des Jugendstil, 1973; dieselbe, Österreichische Keramik des Jugendstil, 1974; dieselbe, Wiener Gold- und Silberschmiede und ihre Punzen 1867-1922, 2 Bände, 1976; V. J. Behal, Möbel des Jugendstil, 1981; G. Wunberg (Hg.), Die Wiener Moderne - Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910, 1981; C. Schorske, Wien - Geist und Gesellschaft des Fin-de-Siècle, 1982; W. J. Schweiger, Die Wiener Werkstätte - Kunst und Handwerk 1903-32, 1982; T. Hansen, Wiener Werkstätte - Mode, Schmuck, Accessoires, 1984; W. M. Pabst, Wiener Grafik um 1900, 1984; R. Waissenberger (Hg.), Wien 1890-1920, 1984; Traum und Wirklichkeit - Wien 1870-1930, Ausstellungskatalog, Wien 1985; P. Berner, E. Brix und W. Mantl (Hg.), Wien um 1900 - Aufbruch in die Moderne, 1986; K. Varnedoe, Wien 1900 - Kunst, Architektur und Design, 1987.


Verweise auf andere Alben:
Video-Album: Otto Wagner: Modell der Postsparkasse in Wien, 1904-1906.

 
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