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Heeresorganisation - Heiligenkreuz, Niederösterreich (3/25)
Heeressport Heesters, Johannes "Jopie"

Heerwesen, österreichisches


Heerwesen, österreichisches: Von einem stehenden Heer kann in Österreich erst ab 1648 gesprochen werden, als sich Kaiser Ferdinand III. nach dem 30-jährigen Krieg entschloss, 9 Regimenter zu Fuß wie zu Pferd nicht aufzulösen, sondern bestehen zu lassen; Ansätze dazu hatte A. von Wallenstein im 30-jährigen Krieg geschaffen. Seit Maximilian I. konnten die habsburgischen Herrscher mit Heeren auf eindrucksvolle Weise ihren Machtbereich in Europa sichern, obwohl die Landsknechte und Söldner mehr ihren Obristen, Söldnerführern und Kriegsunternehmern, deren herausragendster A. von Wallenstein war, untertan waren als dem Landesherrn; es kann daher vor dem Jahr 1648 eher von "kaiserlichen Kriegsvölkern" gesprochen werden.

Durch neu eingeführte Maßnahmen unter Feldmarschall R. Montecuccoli, wie bessere Unterkünfte, regelmäßige Verpflegung und Besoldung sowie Stellung einer militärischen Bekleidung ("Montur"), gelang es in den Türkenkriegen 1663/64 und 1683-99 den Führern des habsburgischen Heeres, Herzog Karl von Lothringen, Markgraf Ludwig von Baden und Prinz Eugen von Savoyen, die türkische Militärmacht entscheidend zu schlagen.

Durch die Reformen Prinz Eugens als Präsident des Hofkriegsrats, der seit 1556 existierenden obersten Militärbehörde zur Verbesserung des Machtinstruments des kaiserlich-habsburgischen Heeres, wurde die moderne, mit Musketen bewaffnete und in weiße bzw. perlgraue Uniformen gekleidete Infanterie geschaffen, weiters eine weitgehend reformierte schwere Schlachtenkavallerie (Dragoner und Kürassiere), eine Belagerungs- und Feldartillerie und die Vorläufer der heutigen Pioniertruppe. Durch eine effektive Versorgung unterstützt, bewährte sich das Heer in den großen militärischen Auseinandersetzungen im 1. Drittel des 18. Jahrhunderts, wie dem Spanischen Erbfolgekrieg 1701-14, den Kuruzzen-Einfällen 1703-11 und dem Türkenkrieg 1716-18. Während der größten territorialen Ausdehnung und des barocken Glanzes im 18. Jahrhundert verfiel das Heer nach 1720 in eine Phase der Stagnation, die sich in den militärischen Misserfolgen des polnischen Thronfolgekriegs 1733-35 und des Türkenkriegs 1737-39 niederschlagen sollte.

Da auf Prinz Eugen keine gleichrangigen Feldherren im Kampf gegen die Bedrohung des Habsburgerreichs folgten, mussten im Österreichischen Erbfolgekrieg und in den ersten Schlesischen Kriegen der Verlust von Parma, Piacenza und vor allem der Provinz Schlesien hingenommen werden, jedoch konnte die territoriale Integrität des Habsburgerreichs, bedingt durch die Motivation des österreichischen Heeres durch Maria Theresia, den verstärkten Einsatz ungarischer Truppen und Regimenter aus dem Bereich der 1537 geschaffenen Militärgrenze und die Führungskunst der Feldmarschälle O. F. Abensberg-Traun und L. A. Khevenhüller, erhalten werden. Der Versuch, Schlesien im Siebenjährigen Krieg, in dem die Feldmarschälle L. Daun und E. G. Laudon gegen das preußische Heer größere Erfolge erzielten, zurückzugewinnen, scheiterte. Das innere Gefüge des österreichischen Heeres hatte in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Einführung eines neuen Reglements 1748 (Daun), die Gründung der Theresianischen Militärakademie 1752 zur Verbesserung und Vereinheitlichung der Offiziersausbildung und die Stiftung des Militär-Maria-Theresien-Ordens als höchste Tapferkeitsauszeichnung für Offiziere 1757 eine neue Prägung erhalten. Durch F. M. Graf Lacy erfolgte eine neue Reform. Die Infanterieregimenter, die bisher nur nach den Inhabern benannt worden waren, erhielten 1769 eine fortlaufende Numerierung (1-59, dazu kamen 16 Grenzinfanterieregimenter); die Heeresergänzung wurde durch das 1771 verfügte "Konskriptionssystem" wesentlich verbessert; eine allgemeine Wehrpflicht konnte durch zahlreiche Ausnahmeregelungen noch nicht eingeführt werden.

Die schweren Niederlagen Österreichs und seiner Koalitionsmächte mit stehenden Heeren gegen die durch allgemeine Wehrpflicht aufgefüllten Massenheere der Französischen Republik ab 1792 veranlassten Erzherzog Karl, ab 1801 Hofkriegsratspräsident, zu einem neuen Reformschub: Die Abschaffung der lebenslangen Dienstzeit für Soldaten in den Regimentern der österreichischen Erblande und Galiziens (je nach Waffengattung galten nun 12 oder 14 Jahre), die verbesserte wissenschaftlich-theoretische Ausbildung der Offiziere (Gründung der "Österreichischen Militärischen Zeitschrift"), die Aufstellung der Landwehr 1808 und die Schaffung selbständiger Armeekorps zeigten im Krieg 1809 das österreichische Heer trotz der Niederlage gegen Napoleon als ernstzunehmenden Gegner. In den Befreiungskriegen 1813/14 führte Feldmarschall K. Fürst Schwarzenberg mit seinem Generalstabschef Feldmarschalleutnant J. Graf Radetzky die alliierten Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig schließlich zum Sieg über die französische Armee (Napoleonische Kriege).

Das österreichische Heer wurde nach den Napoleonischen Kriegen stark reduziert und diente primär zur Abwehr revolutionärer Bestrebungen auf italienischem Gebiet, die Heeresorganisation wurde weiteren Änderungen unterworfen: 1815 wurde das Konskriptionssystem auch auf Tirol und Vorarlberg ausgedehnt, 1830 die lebenslange Dienstzeit für die ungarischen Regimenter abgeschafft, ein Jahr später wurden die Landwehrbataillone als 4. und 5. Bataillon in die Linien der Infanterieregimenter eingegliedert. Noch immer gab es die "Stellvertretung" und den Loskauf (500 Gulden) für Konskribierte, erst 1851 wurde die Stellvertretung verboten. Die Befreiung des Adels vom Militärdienst wurde 1848 aufgehoben.

Die Revolutionsjahre 1848/49, in denen das kaiserliche Heer unter der Führung von J. Radetzky, A. Windisch-Graetz, J. Jellačič und J. von Haynau die territoriale Geschlossenheit der Monarchie unter härtester Anwendung militärischer Maßnahmen gegen innere und äußere Gegner (Sardinien-Piemont) sichern konnte, brachten erneut große Änderungen in der Führungsstruktur: Das schwerfällige Kollegialorgan des Hofkriegsrats wurde durch ein Kriegsministerium ersetzt; ab 1851 existierte ein Armeeoberkommando, bis 1861 der Kriegsminister als Verbindung zwischen Monarch, Armee und schließlich Parlament wieder die zentrale Funktion übernahm. Die wenig befriedigende Institution des Adjutantenkorps wurde 1865 mit dem Generalquartiermeisterstab zum neuen Generalstab vereinigt, dessen Leiter als "Chef des Generalstabs" ab 1875 das persönliche Vortragsrecht beim Kaiser hatte.

Die verlorenen Kriege von 1859 (sardinischer Krieg) und 1866 (preußisch-österreichischer Krieg) brachten aus unterschiedlichsten Motiven eine erneute Reform für die kaiserliche Armee. Der Ausgleich mit Ungarn führte zu tiefgreifenden Umwälzungen im österreichischen Heerwesen. Die verwaltungsmäßige Trennung der beiden Reichshälften bedingte die Schaffung eines gemeinsamen k. u. k. Kriegsministeriums, das die gemeinsame Armee verwalten sollte. Nach dem Wehrgesetz 1868 wurden in beiden Reichshälften Landwehren - k. k. Landwehr und königlich ungarische Honved - aufgestellt, die primär der Territorialverteidigung dienen sollten. Die allgemeine Wehrpflicht wurde nun für die gesamte männliche Bevölkerung der Monarchie (zwischen 21. und 42. Lebensjahr) für die Dauer von 12 Jahren (3 davon waren im k. u. k. Heer aktiv abzuleisten) verpflichtend eingeführt. Als weiteres Aufgebot wurde in beiden Reichshälften der jeweilige Landsturm aufgestellt. Maturanten konnten als "Einjährig-Freiwillige" die Eignung zum Reserveoffizier erreichen. Nach der Verabschiedung des neuen Wehrgesetzes von 1889 ging die Organisation des Heerwesens der Monarchie in seine letzte Phase vor Beginn des Ersten Weltkriegs über. Die friedensmäßige Gliederung bestand aus 16 Korps mit 110 Infanterieregimentern (davon 4 Tiroler Kaiserjäger- und 4 bosnisch-herzegowinische Infanterieregimenter), 26 Feldjägerbataillonen, 42 Kavallerieregimentern und 14 Artilleriebrigaden sowie einem Eisenbahn- und Telegraphenregiment. Zusätzlich gab es insgesamt 72 Landwehrinfanterieregimenter (davon 3 Tiroler Landesschützenregimenter - ab 1917 Kaiserschützen). Uniformierung und Bewaffnung hatten sich in der Jahren vor 1914 stark verändert; die nach 1868 eingeführten blauen Uniformen der Infanterie wurden nach 1909 durch hechtgraue ersetzt; moderne Repetier- und Maschinengewehre waren bei der Infanterie, Geschütze mit Rohrrücklauf in großer Zahl bei der Artillerie eingeführt worden. Die Luftfahrttruppen befanden sich bei Kriegsausbruch noch in der Aufbauphase.

Mitte bis Ende 1914 wurden zum Friedensstand von 415.000 Mann fast 2,5 Millionen Reservisten einberufen. Ende 1918 dienten fast 8 Millionen Soldaten der Habsburgermonarchie im Heer, über 1 Million kehrte aus dem Krieg nicht zurück, mehr als 1,5 Millionen sahen erst nach oft mehrjähriger Gefangenschaft die Heimat wieder. Heerwesen nach 1918: Bundesheer.


Literatur: J. Christoph Allmayer-Beck, Die kaiserlichen Kriegsvölker, 1978; derselbe, Das Heer unter dem Doppeladler, 1981; Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Band V, herausgegeben von A. Wandruszka und P. Urbanitsch, 1987; M. Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers, 1992.


 
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