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Tschadek, Otto - Tumler, Franz (5/25)
Tschebull, Jens Tschechien - Österreich

Tschechen


Tschechen: Bereits im Mittelalter waren tschechische Kaufleute in Wien ansässig. Während des Dreißigjährigen Kriegs kamen Tschechen als Herrschaftsdiener und Arbeiter nach Wien. 1761 erschien die erste tschechische Zeitung in Wien, der 1813-18 eine zweite folgte. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts siedelten sich viele Tschechen in den Wiener Bezirken Wieden und Landstraße an; 1775 schuf Joseph II. an der Wiener Universität eine Lehrkanzel für tschechische Sprache. Die Wiener Kirche Maria am Gestade war tschechische Nationalkirche ("Böhmische Kirche"). In der Franzisko-josephinischen Ära kamen in verstärktem Ausmaß Einwanderer aus Böhmen und Mähren in niederösterreichische Industrieorte und besonders nach Wien, vorwiegend Arbeiter und Handwerker (Schneider, Schuster, Tischler, Schlosser, Schmiede, Hafner). Sie stellten rund 2 Drittel der Einwanderer in diesem Raum. In Wiener Herrschaftshäusern waren häufig böhmische Köchinnen und Ammen beschäftigt. 1862 entstand der "Slawische Gesangsverein" (aus dem 1866 der tschechische Verein "Lumír" hervorging), 1863 der Theaterverein "Pokrok" (heute führt der Kulturverein "Vlastenecká Omladina" Theaterstücke in tschechischer Sprache auf), 1864 der Slawische Geselligkeitsverein ("Slovanská Beseda") und 1868 der "Akademische Verein". 1868 errichtete der "Tschechoslowakische Arbeiterverband" einen Schulausschuss, aus dem 1872 der noch heute wirkende Komensky-Verein hervorging, der 1882 in Favoriten die erste tschechische Schule Wiens errichtete. Nach dem 1. Weltkrieg setzte eine starke Rückwanderung der Tschechen (rund 150.000) in den neuen tschechoslowakischen Staat ein; 1923 verblieben noch rund 92.000 Tschechen in Österreich. In den folgenden Jahren gab es in Wien eine Reihe tschechischer Schulen: 2 Mittelschulen, 1 Handelsschule, 6 Haupt-, 21 Voksschulen (davon 15 mit Öffentlichkeitsrecht) und 17 Kindergärten; in anderen österreichischen Gemeinden wurden tschechische Sprachkurse geführt. Die Tschechen führten 2 Tageszeitungen ("Vídeńské dělnické listy" und "Vídeńsky deník"), die in eigenen Druckereien hergestellt wurden. Daneben gab es noch Wochenblätter, Fachzeitschriften, 1 Kinderzeitung und andere. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden alle diese Einrichtungen liquidiert, 1942 die letzten tschechischen Schulen und Vereine aufgelöst. Nach 1945 erfolgte die Rückwanderung von über 10.000 Tschechen und Slowaken in die Tschechoslowakei; die wiedergegründeten tschechischen Schulen und Vereine begannen in kleinerem Ausmaß als vor 1938 ihre Tätigkeit.

Zu Emigrationswellen von Tschechen nach Österreich kam es nach 1948 und besonders nach Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968/69 (162.000 Flüchtlinge, von denen 12.000 in Österreich blieben). 1991 lebten in Österreich 19.458 Personen mit tschechischer Umgangssprache, fast die Hälfte davon in Wien. 1994 wurde der Volksgruppenbeirat für die tschechische Volksgruppe beim Bundeskanzleramt konstituiert. Folgende Vereine sind dort vertreten: Minderheitsrat der Tschechen und Slowaken (2 Stimmen), Vereinigung der Vereine, Kulturklub der Tschechen und Slowaken und Jirásek/Nová vlast mit je 1 Stimme.

Die Spaltung der Tschechoslowakei in Tschechien und Slowakei 1993 hat sich auch auf die Vereine ausgewirkt: die Slowaken haben eigene Vereine; die oben genannten Vereine, auch wenn sie "Slowaken" im Namen und sogar Slowaken als Mitglieder haben (was besonders beim Kulturklub der Fall ist), sind von der slowakischen Volksgruppe nicht als Vertreter der Slowaken anerkannt.


Literatur: F. A. Soukup, Česká menšina v Rakousku / Die tschechische Minderheit in Österreich, 1928; M. Gettler, Die Wiener Tschechen um 1900, 1972; J. Neumann, Tschechische Familiennamen in Wien, 1977; K. M. Brousek, Wien und seine Tschechen, 1980; A. M. Drabek, Tschechen und Deutsche in den böhmischen Ländern, in: E. Zöllner (Hg.), Volk, Land und Staat in der Geschichte Österreichs, Schriften des Instituts für Österreichkunde, 1984; M. Glettler, Böhmisches Wien, 1985; E. Stanek, Verfolgt, verjagt, vertrieben, 1985.


 
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