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Batthyány, Franziska Gräfin, geborene Széchényi - Bauernbund, Österreichischer, ÖBB (23/25)
Bäuerliche Fortbildung Bauernbefreiung

Bauern


Bauern, traditionelle Bezeichnung für landwirtschaftlich tätige Selbständige und deren Angehörige. Bauern gibt es als abgrenzbaren sozialen Typus, der durch regelmäßigen Feldbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit gekennzeichnet wird, seit der Jungsteinzeit. Die Donauländische Kultur (zirka 3500-2400 v. Chr.) und die ihr folgenden Kulturen waren hauptsächlich Bauernkulturen. Die Naturlandschaft wurde allmählich in Kulturland umgewandelt. In der Römerzeit Einführung des Weinbaus. Für das 5. Jahrhundert betont der Verfasser der "Vita Severini", dass es in Noricum üblich sei, das Land selbst zu bebauen, weder durch Sklaven noch durch Kolonen - Zeichen für eine quasi-bäuerliche Betriebsstruktur. In der baierischen Stammesgesellschaft nach der Völkerwanderungszeit dominierte zunächst der Typ des Kriegerbauern (wehrhaft und "frei") mit mehrteiligem Gehöft und entwickelter Viehzucht. Mit der Entstehung von geistlichen und weltlichen Grundherrschaften entwickelte sich aus den "Freien" und aus auf eigenen "Huben" verselbständigten "Unfreien" (servi, mancipia) der Grundherren die vielfach abgestufte feudal-abhängige Bauernschaft des Mittelalters. Dabei ging das ökonomische Schwergewicht von der Viehzucht auf Getreidebau in Form der Dreifelderwirtschaft über. Die Bauern hatten Arbeits-, Produkt- oder Geldrente in verschiedensten Formen zu leisten, wobei die Geldrente als historisch jüngere Form gilt, ohne deshalb überall dominante Abschöpfungsform gewesen zu sein. Vielfach waren Produktrenten (Zehent- und Dienstgetreide bzw. -wein) die wichtigsten Abgabeformen. Im 13. Jahrhundert verschwand die Erinnerung an die ehemaligen persönlichen Abhängigkeitsformen, für die bäuerliche Position zentral wurde nun das Besitzrecht - das schlechteste war die "Freistift" (mit theoretisch jederzeitiger "Abstiftung" des Bauern durch den Grundherrn), das beste das "Erb-" oder "Kaufrecht" (mit Vererbungsmöglichkeit der bäuerlichen Wirtschaft). Trotz feudaler Abhängigkeit errang die Bauernschaft eine gewisse Selbstorganisation, ja vereinzelt Autonomie in ihren Gemeinden (Pfarrgemeinden, Dorfgemeinden). Bis ins 13. und 14. Jahrhundert dehnte sich die bäuerliche Wirtschaftweise durch Neubesiedlung und Rodung rasch aus. Im 14. und 15. Jahrhundert folgten auf eine krisenhafte Entwicklung (spätmittelalterliche Agrarkrise, Verfall der Getreidepreise) partielle oder totale Wüstungen. Während der Krise stabilisierte sich die Bauernschaft - der Mangel an abhängigen Leuten brachte Erleichterungen bei den feudalen Lasten. Wahrscheinlich wurden nun auch die bäuerlichen Behausungen verbessert und vergrößert. Die Größe der (verbliebenen) Siedlungen wuchs. Aus der Krise des Spätmittelalters mit ihrem Rückgang (oder jedenfalls Stagnation) der bäuerlichen Bevölkerung entwickelten sich durch die Kluft zwischen dem neuen bäuerlichen Selbstbewusstsein und den seit etwa 1490 (wieder) steigenden Forderungen der Grundherren und des entstehenden Staates Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Herrschaften (Bauernkriege). Nach deren Niederschlagung stiegen insbesonders die staatlichen Anforderungen ("Steuern"), verschiedentlich auch jene der Grundherren (oft in Form von "Robot"). Unter Maria Theresia begann sich die Lage zu stabilisieren, Robotaufstände führten zu ersten Robotbegrenzungen, der Maria-theresianischen Kataster verzeichnete erstmals alle Herren- ("Dominical-") und Bauerngüter ("Rustikalland"), was die Einziehung bäuerlicher Güter ("Bauernlegen") erschwerte und 1775 sogar unmöglich machte. Staatsgüter, Meierhöfe und Gemeindeweiden (Allmenden) wurden vielfach aufgeteilt. Joseph II. hob 1781 die Leibeigenschaft (wo sie noch - sehr vereinzelt - bestand) auf. Durch seine "Steuer- und Urbarial-Regulierung" 1785 wurden Grundsteuer, Feudalzins und Frondienste neu festgesetzt. Grundherren widersetzten sich mit Erfolg diesen Reformen, es blieb aber die Umwandlung von Arbeits- in Geldrente (Robot-Reluition) bzw. freiwillige Ablöse der Feudallasten (Abolition) seit Joseph II. möglich. Ab etwa 1770 begann die "Agrarrevolution" (Sommerstallfütterung, Anbau von Hackfrüchten und Klee auf der Brache), die zunächst einen erhöhten Arbeitskräftebedarf und eine Vermehrung der Zahl von Dienstboten nach sich zog; dadurch mussten auch die bäuerlichen Häuser erneuert und vergrößert werden. Das stärkte vorübergehend die soziale Position des bäuerlichen Hausvaters und war eine wichtige Voraussetzung für die politische Mobilisierung der Bauern unter konservativen Vorzeichen. Um 1800 verbesserte sich die ökonomische Lage der Bauern deutlich (teils infolge der Kriegskonjunktur). Nach einer schweren Krise zwischen etwa 1815 und 1835 stabilisierte sich die Lage der Bauern, freilich begannen die traditionellen gewerblichen Zuerwerbsmöglichkeiten (Textilprodukte, Verkehrswesen) im Zuge der industriellen Revolution zu verschwinden. Der Bauer wurde jetzt immer ausschließlicher agrarischer Produzent. Die Revolution von 1848 brachte die völlige Beseitigung der Untertanenlasten (Bauernbefreiung); der Bauer wurde nun gleichberechtigter Staatsbürger, konnte Grund und Boden als sein persönliches Eigentum verkaufen (vor 1848 gab es 2,6 Millionen Untertanen auf 54.000 Grundherrschaften), verpachten, vererben und verschulden. Das Bauernhaus erhielt jetzt das späterhin als "traditionell" und "alt" interpretierte Aussehen, es gab Um- und Neubauten sowie Aufstockungen. 1853 wurden durch die so genannte Servitutenregulierung traditionelle Nutzungsrechte von (meist) bäuerlichen Berechtigten im Herrenwald oder auf der Weide (Almen) abgelöst oder reguliert, was für viele "Waldbauern" ökonomisch das Ende bedeutete; auch die Jagdgesetze bevorzugten die ehemaligen Grundherren gegenüber der Bauernjagd. Der Liberalismus brachte für die Bauern die Freiheit der Verschuldung (1868). Das führte zu oft unüberlegter Kreditaufnahme (vielfach für Erbenauszahlungen), die Folgen waren seit den 1880er Jahren sprunghaft steigende Überschuldung und Zwangsversteigerungen von Bauerngütern. Als Selbsthilfeeinrichtungen der Bauern entstanden Genossenschaften, die für den Klein- und Mittelbetrieb gerechte Erzeugerpreise gewährleisten sollten; Raiffeisenkassen sicherten Kredite für verschuldete ländliche Betriebe. Landwirtschaftliche Fortbildungsschulen wurden geschaffen, Grundzusammenlegungen, Bodenentwässerungen und Verbesserungen der Bewirtschaftungsformen vorgenommen, freilich zunächst nur in sehr geringem Ausmaß. Neben den vom Großgrundbesitz dominierten Landwirtschaftsgesellschaften (die erste nach Vorläufern im 18. Jahrhundert 1807 in Wien gegründet) entstanden seit etwa 1870 bäuerliche Fach- und politische Vereine als Ausgangspunkte einer breiteren bäuerlichen Interessenorganisation. In Abwehr gegen den Liberalismus formte sich aus konservativen, aber auch nationalistischen Ideen das Bild des konservativen, seinen "Werten" und der "Heimat" treuen, unveränderlichen Bauern auf seiner "Scholle", als Kern des als ebenso unveränderlich gedachten "Volkstums" (Volkskunde als Wissenschaft von der bäuerlichen Kultur). 1896 fand der 1. (antiliberale) Bauerntag für Niederösterreich in Wien statt, dem bald Gründungen von Bauernvereinen folgten (Österreichischer Bauernbund, Tirol 1904, Niederösterreich 1906). 1897 wurde der erste allgemeine österreichische Bauerntag abgehalten. Nach dem 1. Weltkrieg entstanden die Landwirtschaftskammern als öffentlich-rechtliche, obligatorische bäuerliche Interessenvertretungen.

Seit der industriellen Revolution sinkt der Anteil der Bauern an der Gesamtbevölkerung (um 1900 zirka 45 %, 1934 etwa 30 %, 1997 6,6 %). Im Gegensatz zur traditionellen Bauernwirtschaft mit ihrem hohen Selbstversorgungsgrad (auch an nichtagrarischen Produkten wie Kleidung oder Werkzeugen) ist die heutige fast ausschließlich marktbezogen. Bauern leiden unter der säkularen Agrarkrise des späten 20. Jahrhunderts und den gegenüber den gewerblichen Produkten seit dem 2. Weltkrieg tendenziell fallenden agrarischen Produktpreisen (Preisschere). Daher ist seit den 1960er Jahren eine rasche Strukturveränderung (Ende der traditionellen Dienstbotenhaltung, Betriebsstill-Legungen, Zunahme von Neben- und Zuerwerb, Konzentration und dadurch Vergrößerung der bäuerlichen Betriebe, Umstellung auf rentable Produktionszweige, nicht selten für Marktnischen - biologische Landwirtschaft) zu beobachten, die insgesamt zu einem weitreichenden Wandel in der Bauernschaft führte, deren Bevölkerungsanteil in Zukunft noch weiter schrumpfen wird. Diese Entwicklung wird durch die marktwirtschaftlich ausgerichtete Agrarpolitik der Europäischen Union, der Österreich seit 1995 angehört, zusätzlich beschleunigt.


Literatur: E. Bruckmüller, Landwirtschaftliche Organisationen und gesellschaftliche Modernisierung, 1977; derselbe, Sozialgeschichte Österreichs, 1985; derselbe (Hg.), Raiffeisen in Österreich, 1998.


Verweise auf andere Alben:
Video-Album: Herstellung eines Strohdaches.,
Flachs spinnen am Spinnrad, Mühlviertel.,
Weben eines Teppichs am Webstuhl, Mühlviertel.,
Bauernmarkt in Abtenau, Salzburg.,
Hauberlkrapfen backen.,
"Holzziagn".,
Brennen von Vogelbeerschnaps.,
Hofformen in Österreich.,

 
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