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VolksschauspielVolksschauspiel, jene Arten von Rollenspielen, die von Laien für Laien in der Landessprache dargeboten werden und die inhaltlich oder von ihrer Verwendung her in den überlieferten Festkalender eingebunden sind. Die Aufführungen erfolgen in regelmäßigen Abständen zu bestimmten Terminen des Jahres (Advent, Weihnachten, Ostern) und des Lebenslaufs (Hochzeit). Gespielt wird an festgelegten Spielstätten (Straße, Stube, Kirchenraum, Festplatz), wobei es keine Trennung zwischen den Akteuren und den Zuschauern gibt. Beim sogenannten Volks- oder Bauerntheater kommt es zwar zu einer Aufhebung dieser Einheit (Bühne und Zuschauerraum), dennoch wird diese Gattung dem Volksschauspiel zugezählt. Die Handlung des Volksschauspiels dient der Erinnerung und zugleich der Vergegenwärtigung religiöser wie weltlicher Ereignisse; es kommt beim Volksschauspiel zu einem gemeinsamen Nachvollzug des darzustellenden Geschehens. Wichtige Kriterien des Volksschauspiels bilden die Maskierung bzw. Kostümierung und ein möglichst standardisierter und wiederholbarer Text. Nach der Spielform lassen sich unterscheiden: spielhafter Brauch ortsfester Art (kommt ohne festgelegten Text aus), Umzugsspiel (von Haus zu Haus, Revue-Charakter, Streitgespräche), Prozessionsspiele (Fronleichnam), Stubenspiele (Nikolaus-, Weihnachts-, Paradeisspiele), Großspiel bzw. Bühnenspiel, Freilichtspiel. Die Wurzeln des Volksschauspiels liegen einerseits im Kult (Kampfspiele, Tanz, Winter- und Sommerspiele, Todaustragen), andererseits in der Liturgie des frühen Mittelalters. Letztere beschränkte sich zunächst auf den Kirchenraum und war ausschließlich für den Klerus und für die Klosterschüler bestimmt. Durch Übertragung der lateinischen Texte in die Volkssprache und durch die Erweiterung des Stoffs (Hinzufügen komischer Szenen) sowie der Zahl der Mitwirkenden wurde das Glaubensvolk in die Handlung miteinbezogen. In der Folge übernahmen die Stadtbürger (Zünfte, Bruderschaften) das Spielgeschehen der verschiedenen Mysterien-, Fronleichnams-, Legenden- und Fastnachtsspiele. Die Reformationszeit brachte vorerst ein Ende dieser figurenreichen Massenspiele. Es entstanden nun unter protestantischem Einfluss Heische- und Singbräuche der Lehrer und Schüler bzw. die verschiedenen Stuben- und Einkehrspiele (Nikolaus-, Paradeis- und Geburt-Christi-Spiele). In der Gegenreformation kam es unter dem Einfluss der Jesuiten zur Förderung des Schultheaters und zur Ausgestaltung des großen barocken Welttheaters auf öffentlichen Plätzen in Form von Mysterienspielen, figuralen Prozessionen, Passionsspielen, Heiligenlegenden und Exempelstücken. Nachdem im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts diese Theaterformen auch von den Landgemeinden übernommen worden waren, versuchte die Aufklärung die geistlichen Spiele hintanzuhalten und durch weltliche Komödien zu ersetzen (Sagenstoffe, Ritterdramen, Genovevaspiele). Es handelt sich dabei vielfach um dramatisierte Volksbücher. Im 19. Jahrhundert kam es schließlich zur Ausprägung des so genannten "Bauerntheaters", dessen Stücke im bäuerlichen Milieu angesiedelt sind und zur literarischen Form aufstiegen (L. Anzengruber), sowie zur Gründung zahlreicher Theatergesellschaften. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts setzten Bemühungen ein, der Laienspielbewegung (Schulspiel) neue Impulse zu geben und es vom Image des "Bauerntheaters" zu befreien. Einzelne Stränge dieser unterschiedlichen Spielformen und -stoffe lassen sich noch im heutigen Volksschauspiel in Österreich feststellen: unter anderem die großen Perchten- und Fasnachtsumzüge in Salzburg und Tirol mit ihren spielhaften Szenen, die verschiedenen Heischebräuche (Anklöckeln) und Umzugsspiele (Pfingstkönig in Patzmannsdorf, Niederösterreich), die Stubenspiele (Nikolausspiel in Mitterndorf, Steiermark, Paradeisspiel in Steirisch Laßnitz), die Passionsspiele von Erl und Thiersee in Tirol, Kirchberg (Niederösterreich), St. Margarethen (Burgenland), die Weihnachts- (Ischler Krippenspiel) oder Osterspiele (Kreuzziehen in Tresdorf im Mölltal, Kärnten) sowie Freilichtspiele (Mondseer Jedermann, Frankenmarkter Würfelspiel). Neue Spielformen stellen etwa der Martiniritt (Bregenz), die Laterndlumzüge oder der Christkindleinzug von Innsbruck dar. In Tirol (Telfs) existiert seit einigen Jahren ein Festival des Volksschauspiels. Literatur: L. Schmidt: Das deutsche Volksschauspiel, 1962; D.-R. Moser, Volksschauspielforschung, in: R. W. Brednich (Hg.): Grundriß der Volkskunde, 1988. Verweise auf andere Alben:
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