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Österreichische Volkspartei, ÖVPÖsterreichische Volkspartei, ÖVP, am 17. 4. 1945 in Wien durch L. Kunschak, H. Pernter, L. Weinberger, L. Figl, J. Raab und F. Hurdes gegründete Partei. Von ihrer Vorgängerin, der Christlichsozialen Partei, grenzte sich die ÖVP 1945 durch ein eindeutiges Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie und zur österreichischen Nation ab. Kontinuitäten zur Vorgängerin bestanden vielfach in personeller (Funktionäre) und in sozialstruktureller Hinsicht (Bauern, Gewerbetreibende, Beamte und Angestellte als Kernschichten) sowie in einem gewissen Nahverhältnis zur katholischen Kirche, das - obzwar gelockert - nach wie vor bestand. Das bis Ende der 60er Jahre erfolgreiche Konzept der ÖVP war das einer bürgerlichen Sammelpartei, die verschiedene Berufsgruppen und ideologische Strömungen (Konservativismus, Liberalismus, katholische Soziallehre) in sich vereinte. Von November 1945 bis März 1970 dominierte die ÖVP die österreichische Politik als stärkere Regierungspartei der großen Koalition (1947-66), die den Bundeskanzler und die wichtigsten Ressortminister stellte, und als Träger der ersten Alleinregierung (1966-70). Die Wahlniederlage 1970 leitete eine 17-jährige Oppositionszeit (1970-86) ein, die 1987 mit der Bildung der 2. großen Koalition mit der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) beendet wurde, diesmal allerdings mit der ÖVP als schwächerem Koalitionspartner. Bei den Nationalratswahlen 1986 verzeichnete die ÖVP einen leichten Wählerrückgang, 1990 und 1994 verlor sie so stark, dass sie auf die Größe einer Mittelpartei zurückfiel, 1995 erreichte sie leichte Stimmengewinne. Bei den Nationalratswahlen 1999 konnte die ÖVP ihren Mandatsstand halten, wurde aber nach Stimmen zur drittstärksten Partei hinter SPÖ und FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs); trotzdem wurde 2000 durch die ÖVP-FPÖ-Koalition erstmals seit 30 Jahren mit W. Schüssel wieder ein ÖVP-Politiker Bundeskanzler. Die Stärke der ÖVP liegt auf Länderebene: Seit 1945 stellt die ÖVP in 6 Bundesländern durchgehend die Landeshauptleute (Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg), im Burgenland 1945-64, in Kärnten 1991-99. Nach dem Eintritt der ÖVP in die Bundesregierung 1987 wurde ihre Position auch bei den Landtagswahlen erschüttert. In der Kommunalpolitik dominiert sie in den kleineren ländlichen Gemeinden. Dem ersten Grundsatzprogramm ("15 Leitsätze", 1945) folgte 1972 das "Salzburger Programm", das 1995 durch das Neue Grundsatzprogramm abgelöst wurde; dazu kamen das "Zukunftsmanifest" 1985 und weitere Aktions- und Wahlprogramme. Das darin zum Ausdruck gebrachte Ideologie- und Meinungsspektrum ist außerordentlich breit und heterogen, eine Vereinheitlichung der Standpunkte in wirtschaftlichen, ökologischen oder gesellschaftlich-kulturellen Fragen ist meist nur kurzfristig möglich. Struktur und Organisation: Die ÖVP ist territorial und funktional gegliedert. Territorial folgt sie den staatlichen Gliederungsebenen Bund, Länder, politische Bezirke, zum Teil Gerichtsbezirke und Gemeinden, funktional weist sie eine bündische Struktur auf. Die 3 traditionellen und einflussreichsten Bünde sind der Österreichische Bauernbund (ÖBB), der Österreichische Wirtschaftsbund (ÖWB) und der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB). Die 3 weiteren Teilorganisationen der ÖVP sind die Österreichische Frauenbewegung (ÖFB), die Junge ÖVP (JVP) und der Österreichische Seniorenbund (ÖSB), die in den 70er Jahren von Spezialorganisationen und Zweckverbänden zu formal gleichwertigen Teilorganisationen avancierten. Zum Vorfeld der Partei gehören unter anderem der Akademikerbund, der österreichische Cartellverband und zahlreiche personell und weltanschaulich mit der ÖVP verbundene katholische Verbände. Die ÖVP verfügt von allen österreichischen Parteien über das dichteste Netz an Lokalorganisationen und ist beinahe flächendeckend in ganz Österreich vertreten. Die ÖVP ist eine mittelbare (indirekte) Partei, das heißt, eine Mitgliedschaft wird hauptsächlich durch Mitgliedschaft bei einer der Teilorganisationen erworben und eher ausnahmsweise durch einen direkten Beitritt zur ÖVP. 1999 betrug die Gesamtmitgliederzahl rund 600.000. Die Bünde ÖWB, ÖBB und ÖAAB sind selbständige Vereine und auch aufgrund ihrer finanziellen Stärke weitgehend autonom. Sie heben über ihre Landesorganisationen Mitgliedsbeiträge ein und liefern den Landes- sowie Bundesparteiorganisationen Anteile davon ab. Das Verhältnis zwischen Bünden und Gesamtpartei ist Gegenstand vieler Reformversuche, um einerseits das finanzielle Ungleichgewicht zwischen Gesamtpartei und Bünden zu beseitigen und andererseits generell den Einfluss der Bünde zurückzudrängen, da diese zum Teil gegensätzliche Interessen vertreten und eine einheitliche Politik der Gesamtpartei sowie ein geschlossenes Erscheinungsbild nach außen erschweren. Einführung und Ausbau der staatlichen Parteienfinanzierung, Reformen und die Transformation des politischen Systems (massenmedial ausgerichtete Kanzlerdemokratie) stärken die Parteizentrale gegenüber den Bünden. Die Bundesparteiobmänner der ÖVP: L. Kunschak (1945), L. Figl (1945-1952), J. Raab (1952-1960), A. Gorbach (1960-1963), J. Klaus (1963-1970), H. Withalm (1970/71), K. Schleinzer (1971-1975), J. Taus (1975-1979), A. Mock (1979-1989), J. Riegler (1989-1991), E. Busek (1991-1995) und W. Schüssel (1995-2007).
Literatur: L. Reichhold, Geschichte der ÖVP, 1975; W. C. Müller, Die Österreichische Volkspartei, in: Handbuch des politischen Systems Österreichs, 1991; R. Kriechbaumer und F. Schausberger (Hg.), Volkspartei - Anspruch und Realität, 1995. Verweise auf andere Alben:
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