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Görg, Bernhard - Gottscheer (18/25)
Göstling an der Ybbs Götschenberg

Gotik


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Gotik: Kreuzgang des Stifts Zwettl, NÖ.




Gotik: Seit dem frühen 13. Jahrhundert vollzog sich in Österreich der schrittweise Übergang von der Romanik zur Gotik. Als Vermittler des neuen, in West- und Mitteleuropa entwickelten Stil- und Gedankenguts traten zunächst die Landesherren und die Orden hervor. In der Folge zeigten sich gotische Stilelemente zunehmend auch im profanen Bereich.

Die ersten Übergänge von der Spätromanik zur Frühgotik finden sich in den Kreuzgängen der niederösterreichischen Zisterzienserklöster Zwettl, Heiligenkreuz und Lilienfeld. In Lilienfeld entstand ab 1202 der frühgotische Chor; hier bildete sich auch das für Österreich charakteristische Hallensystem mit gleich hohen Schiffen aus, das sich um 1294 in Heiligenkreuz und nach 1330 in Zwettl wiederfindet. Die nicht erhaltene Capella speciosa in Klosterneuburg wurde 1222 geweiht.

Eine Sonderform - die älteste 2-schiffige Halle Österreichs - zeigt die ehemalige Dominikanerinnenkirche in Imbach (Niederösterreich, vor 1285).

Innerhalb der Bettelorden entwickelten sich auch Langchorkirchen (zum Beispiel Minoritenkirche in Bruck an der Mur, Dominikanerkirchen in Krems und Friesach).

Unter dem Eindruck des Heiligenkreuzer Hallenchors und der Bettelordensarchitektur entstand im Wiener Stephansdom 1304-40 der 3-schiffige Albertinische Chor. Die Bauhütte von St. Stephan spielte für die Ausbildung und Ausbreitung der österreichischen Gotik eine besondere Rolle. Knapp 100 Jahre später, um 1439-55, propagierte H. Puchsbaum mit dem Langhaus von St. Stephan einen weiteren vorbildhaften Typus, die so genannte Staffelkirche.

In der spätgotischen Zeit nahm die Baukunst regional eine unterschiedliche Entwicklung. Die westlichen Landesteile erhielten vor allem aus dem angrenzenden Bayern wesentliche Impulse. Wichtige Bauten in diesem Raum sind die Kirchen in Braunau, Pischelsdorf und Eggelsberg sowie die Franziskanerkirche in Salzburg. Ein Hauptbau der Spätgotik ist auch die 4-schiffige Pfarrkirche in Schwaz.

Die Gewölbeformen und Rippenstrukturen wurden um 1500 immer reicher und vielfältiger, ihre statische Bedeutung wurde dabei optisch durch den dekorativen, verspielten Charakter nach und nach verdrängt. Die bedeutendsten Beispiele dieser Entwicklung findet man in Niederösterreich und Oberösterreich (Weistrach, Krenstetten, St. Peter in der Au, St. Valentin, Königswiesen, Freistadt).

Eine Kärntner Sonderform zeigt die Kötschacher Pfarrkirche (1518-27), in der das Gewölbe durch ein dichtes rankenartiges Rippengeflecht überzogen erscheint. Dieser dekorative Spätstil der gotischen Baukunst reichte, besonders in den Alpenländern, noch tief in das 16. Jahrhundert hinein.

Enge Parallelen zu den Stilentwicklungen im Sakralbau sind auch im profanen Bereich zu beobachten. Künstlerisch wertvolle Profanbauten der österreichischen Gotik sind vor allem die Gozzoburg und der Göglerker in Krems, das Bummerlhaus in Steyr, das "Goldene Dachl" in Innsbruck, das Kornmesserhaus in Bruck an der Mur und viele gotische Laubenhöfe. Verhältnismäßig gut erhaltene gotische Stadtplätze gibt es noch in Waidhofen an der Ybbs, Melk und Steyr, Stadtbefestigungen in Hainburg, Krems-Stein, Enns und Radstadt. Gotische Burgen sind in Heidenreichstein, Strechau, Lockenhaus, Tratzberg und Hall in Tirol sowie in Millstatt (Palast des Hochmeisters) zu finden.

Die Plastik blieb in der Gotik noch weitgehend an die Architektur gebunden (Portalplastik, Tympanonreliefs, Säulenstatuen). Die Reliefs am Singer- und Bischofstor (1370/80) von St. Stephan in Wien gehören zu den Hauptwerken der Gotik in Österreich. Daneben entstanden zahlreiche Einzelbildwerke von höchster künstlerischer Qualität, wie zum Beispiel die Klosterneuburger Madonna (Ende 13. Jahrhundert), die Dienstbotenmadonna (1320/25) im Wiener Stephansdom sowie Säulenstatuen im Chor und Stifterfiguren an den Gewänden der Seitentore von St. Stephan.

Um 1400 steigerten sich Anmut, Raffinesse, aber auch Realismus. In seine 1. Phase trat dieser so genannte Weiche oder Internationale Stil im Südosten. Künstlerpersönlichkeiten wie Hans von Judenburg und der so genannte Meister von Großlobming prägten die Bildhauerei dieser Zeit.

Der bekannteste Skulpturentypus des "Weichen Stils" ist neben dem Vesperbild (Pietà) jener der "Schönen Madonnen", der größte Eigenständigkeit in Böhmen (zum Beispiel "Krumauer Madonna" im Kunsthistorischen Museum in Wien) und im Salzburger Bereich erlangte.

Um 1420/30 kam es zu einer Verhärtung in der Formensprache. Die höfisch-elegante, weiche Ausdrucksweise machte einem gezielten Einsatz von Realismen und schweren, gedrungenen, oft verblockten Formen Platz. Zentrum dieses "Schweren Stils" war unter anderem der Wiener Hof.

Einen Schwerpunkt der gotischen Bildhauerkunst bildete die Grabmalsplastik. Hauptwerke des späten 15. Jahrhunderts sind das Grabmal Friedrichs III. im Wiener Stephansdom und die Grabplatte der Kaiserin Eleonore in Wiener Neustadt (beide von Niclas Gerhaert van Leyden) sowie die Grabplatte des Erzbischofs Leonhard von Keutschach auf der Feste Hohensalzburg.

Mit dem Auftreten von Niclas Gerhaert und dem Einfließen westlichen Gedankenguts um 1470 kam es in Österreich zu einer wesentlichen stilistischen Veränderung in der Plastik. Die gedrungenen, schweren Formen der Jahrhundertmitte wichen schon bald einer lebendigen, raumausgreifenden und raumumschließenden Bewegtheit.

Durch die Aufnahme und Weiterentwicklung dieser Einflüsse kam Österreich in der letzten Phase der späten Plastik eine führende Rolle in Europa zu, insbesonders in der Herstellung holzgeschnitzter Flügelaltäre (Blütezeit 1470-1520), von denen rund 200 entstanden.

In engem Zusammenhang mit der Architektur und der Bildhauerkunst stehen Innenausstattung und Möbel sowohl sakraler als auch profaner Anlagen (zum Beispiel Chorgestühle, Kanzeln, Holzdecken). Nennenswert sind auch Ausstattungsgegenstände aus anderen Bereichen des Kunstgewerbes (zum Beispiel Textil, Glas und Keramik).

Die gotische Malerei entfaltete sich besonders im Tafelbild, da durch die gotische Bauweise geschlossene Wandflächen für Fresken selten geworden waren. Immerhin entstanden in den Gebirgsländern noch zahlreiche bedeutende gotische Fresken, unter anderem in Gurk (Vorhalle des Doms), St. Paul im Lavanttal, Bruck an der Mur und Millstatt. Fresken profaner Widmung findet man vor allem in Südtirol (zum Beispiel Schloss Runkelstein). Bemerkenswert sind auch die Neidhart-Fresken in Wien (um 1400).

Eine Eigenart Kärntens und mancher Teile der Steiermark sind die bemalten flachen Holzdecken kleiner Landkirchen und die Fastentücher.

Auf dem Gebiet der Glasmalerei sind in Österreich zahlreiche Zeugnisse aus der Zeit der Gotik erhalten, ebenso in der Buchmalerei, deren Tradition in den Klostermalschulen weitergeführt wurde.

Die gotische Tafelmalerei brachte in Österreich zu Beginn des 14. Jahrhunderts erste Höchstleistungen hervor (zum Beispiel Außenseiten des Verduner Altars in Klosterneuburg, 1330/31). Um 1365 entstand als erstes eigenständiges Porträtbild das Bildnis Herzog Rudolfs IV. (Diözesanmuseum in Wien). Ihre eigentliche Blüte erreichte die österreichische Tafelmalerei der Gotik nach 1400 unter dem Einfluss der süddeutschen und böhmischen Zentren.

Die meisten Künstler des frühen 15. Jahrhunderts sind namentlich nicht bekannt. Bedeutende, nach ihren Hauptwerken benannte Maler waren unter anderem der Meister der Darbringung, der Meister der Anbetung, der Meister des Albrechtsaltars und der Meister der St. Lambrechter Votivtafel. Der hervorragendste Vertreter der Salzburger Malerei um die Mitte des 15. Jahrhunderts, Conrad Laib, orientierte sich bereits an der oberitalienischen Malerei. Das späte 15. Jahrhundert stand unter dem Zeichen großer Künstlerpersönlichkeiten oder -werkstätten wie dem Meister des Schottenaltars, M. und F. Pacher sowie R. Frueauf dem Älteren und J. Breu dem Älteren.

Die Darstellung des Raums und der Landschaft verdrängte allmählich den bislang üblichen, meist mit Blindstempeln geprägten Goldhintergrund. Mit R. Frueauf dem Jüngeren und W. Huber, der die ersten selbständigen Landschaftsdarstellungen schuf, brachte Österreich 2 der bedeutendsten Maler der Zeit der Donauschule hervor. Diese Entwicklung währte bis gegen 1510/20 und markiert somit den Übergang zur Frührenaissance.



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Gotik: Gewölbe der Pfarrkirche in Kötschach, Kä.




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Gotik: Mondscheinsichelmadonna. Plastik von J. Kaschauer, um 1430 (Pfarrkirche Hollenburg, NÖ.).




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Gotik: Marter der hl. Katharina (im Hintergrund die Stadt Passau). Gemälde von H. Eckl, um 1475 (Stift Melk, NÖ.).



Literatur: W. Buchowiecki, Die gotischen Kirchen Österreichs, 1952; R. Feuchtmüller und W. Mrazek, Gotik in Österreich, 1961; Die Kunst der Donauschule, Ausstellungskatalog, St. Florian und Linz, 1965; Friedrich III., Ausstellungskatalog, Wiener Neustadt 1966; Gotik in Österreich, Ausstellungskatalog, Krems 1967; Kärntner Kunst des Mittelalters, Ausstellungskatalog, Wien und Klagenfurt 1970/71; Spätgotik in Salzburg. Die Malerei 1400-1530, Ausstellungskatalog, Salzburg 1972; Spätgotik in Tirol, Ausstellungskatalog, Wien 1973; Spätgotik in Salzburg: Skulptur und Kunstgewerbe, Ausstellungskatalog, Salzburg 1976; Wien im Mittelalter, Ausstellungskatalog, Wien 1976; Gotik in der Steiermark, Ausstellungskatalog, St. Lambrecht (Steiermark) 1978; Die Zeit der frühen Habsburger, Ausstellungskatalog, 1979; G. Brucher, Gotische Baukunst in Österreich, 1990; G. Schmidt, Gotische Bildwerke und ihre Meister, 2 Bände, 1992.


Verweise auf andere Alben:
Video-Album: Pfarrkirche Sankt Wolfgang OÖ.: Spätgotischer Flügelaltar, Michael Pacher, 1481.

 
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