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Mozart

Jupiter-Symphonie: 4. Satz (Molto Allegro)


Formschema
4. Satz
Der 4. Satz der Jupiter-Symphonie ist mit Finale übertitelt. Dieser Satz stellt eine Einmaligkeit im Gesamtwerk der abendländischen Musik dar, nicht so sehr durch die Einmaligkeit der Themenerfindung, als vielmehr durch deren Verarbeitung, eine Verarbeitung, die in der Musikgeschichte keine Parallele hat. Wo gibt es schon eine Komposition, die 5 Themen aufweist, diese am Schluß des Satzes gegenüberstellt, sodaß sie alle gleichzeitig erklingen und noch untereinander ausgewechselt und vertauscht werden können, ohne daß dem klassischen Wohlklang ein Abbruch geschieht? Hier werden die technischen Errungenschaften der Barockzeit mit denen der Klassik verbunden, sodaß Homophonie (Klassik) und Kontrapunkt (Barock) sich zu einer neuen Einheit verbinden.
Der 4. Satz der Jupiter-Symphonie ist der Form nach in Sonatenhauptsatzform geschrieben, mit mehreren fugierten Abschnitten, in denen barocke Fugen- und klassische Durchführungstechnik miteinander verquickt werden und zu neuen Klangwirkungen führen.



Takte 1-24
Das Hauptthema des 4. Satzes ist, ähnlich dem Thema des 1. Satzes, aus 2 unterschiedlichen Motiven gestaltet, die 2 gegensätzliche Prinzipien verkörpern. Der Vordersatz, die ersten 4 Takte des Themas, stehen für das kontrapunktische Prinzip der Vergangenheit - das Thema ist ableitbar aus gregorianischen Melodiemodellen - , während der Nachsatz, Takt 5 - 8, tänzerisch bewegt ist und das homophone, moderne, klassische Prinzip vertritt. Man kann die Auffassung vertreten, daß in diesem Thema sowohl die metaphysische als auch die real menschliche Seite der Musik Mozarts integriert ist.
Das Thema wird vorgestellt und als Hauptthemenkopf weitergeführt. Es mündet unverzüglich in das 2. Thema, ein Thema, deren musikalische Substanz die C-Dur Tonleiter ist.


Takte 36-74
Im 1. Zwischensatz, einem musikalischen Teil zwischen Hauptthema und Seitenthema, verwendet Mozart die ersten 4 Takte des Hauptthemas als Thema eines Fugatos. Das Fugato ist ein nach Art einer Fuge gearbeiteter Abschnitt in einem nicht als Fuge komponierten Satz. So auch hier. Nach dem Themeneinsatz in der 2. Violine folgt die 1. Violine, dann der Violen-, daraufhin Violincello- und Kontrabaßeinsatz. Dann erklingt erstmals ein neues, das 3. Thema, ein kurzer musikalischer Gedanke mit einem Triller. Dieses Thema führt Mozart sofort in Engführung, d.h. das Thema erklingt bereits in einer anderen Stimme, während es noch vorgestellt wird. Die Engführung erfolgt zwischen Violinen und den Baßinstrumenten der Streicherfamilie. Das Ende des Zwischensatzes wird mit dem 2.Thema in Engführung gespielt.


Takte 74-86
Das Seitenthema, ein schlichtes Thema in G-Dur, hier auch als 4. Thema bezeichnet, ist dadurch charakterisiert, daß ihm drei Themen gegenübergestellt werden, das 2. und 3. Thema, und ein neues 5. Thema. (Dieses Thema müßte wegen seiner Kürze als Motiv - ein kleiner, sinnvoller, musikalischer Baustein - bezeichnet werden.)


Takte 94-110
Im 2. Zwischensatz verwendet Mozart vorerst das Kopfmotiv des Seitenthemas. d.i. der erste und zweite Takt des Themas, bis er das Thema vierfach in Engführung bringt, d.h. das Thema wird jeweils in einer anderen Stimme imitiert. Das heißt weiters, daß jede Stimme Hauptstimme ist, jede Stimme absolut gleichberechtigt ist. Höchste Kontrapunktik in klassischem (Klang-)Gewand.

Im Epilog des Werkes erscheint ein neues zweitaktiges Motiv. Bei genauer Betrachtungsweise erkennt man, daß sich dieses Motiv aus dem fünften und sechsten Takt des Hauptthemas ableitet.

Unmittelbar vor Beginn der Durchführung, hier als Coda des Epilogs bezeichnet, verwendet Mozart noch einmal das 2. Thema, welches sowohl in Engführung, als auch in der Spiegelung erklingt.

Die Durchführung wirkt nach solch konzentrierter, thematischer Themenaufstellung und -verarbeitung wie ein Ruhepunkt oder ein Übergang zur Reprise. In sich zweigeteilt erklingt vorerst der Hauptthemenkopf, der vom zweiten Thema, dem Tonleiterthema, abgelöst wird.

Unmittelbar darauf wird das Kompositionsprinzip des zweiten Zwischensatzes der Exposition aufgenommen. Wurde dort das Seitenthema in vierfacher Engführung gespielt, passiert nun ähnliches mit dem zweiten Thema. Jede Stimme wird zur Hauptstimme, das Thema wird gespiegelt, als Èinschub erklingt das Hauptthema. Mozart erweist sich hier als kontrapunktischer Komponist, der die Möglichkeiten polyphoner Satzkunst virtuos beherrscht.

Die Reprise nimmt genau das Material der Exposition auf. Die klanglichen Änderungen erfolgen dadurch, daß nun sämtliche Themen in der Grundtonart C-Dur aufscheinen, andererseits im Sinne motivischer Arbeit des 1. Zwischensatzes die Reprise eine Neugestaltung mit den Hauptthemenkopf erfährt.


Takte 385-424
Die Coda stellt in ihrer kontrapunktischen Arbeit den Höhepunkt des Werkes dar, weswegen das Werk mit dem Namen "Jupiter-Symphonie" bedacht wurde.
Sämtliche Themen erklingen gleichzeitig in verschiedenen Stimmen und werden untereinander noch ausgewechselt, d.h. der Hauptthemenkopf, in der ersten Violine gespielt, wird zur Baßstimme, wodurch sämtliche Themen um eine Stufe "nach oben" rücken. Die Kontrabaßstimme wird zur Cellostimme, die Cellostimme zur Bratschenstimme, die Bratschenstimme zur zweiten Violinstimme und die zweite Violinstimme zur ersten Violinstimme.
Es gibt zahlreiche Komponisten, die am Ende ihrer Komposition zwei, drei oder auch vier Stimmen übereinanderstellen, um so am Höhepunkt des Satzes das Finale herbeizuführen. Einzigartig in der Musikgeschichte ist die Gegenüberstellung von fünf Themen, wie dies am Ende der Jupiter-Symphonie passiert. Im klassischen Klang verbirgt sich höchste polyphone Kunst. Aus den beiden "Thesen", klassische und barocke Kompositionsweise, entstand die "Synthese" Jupiter-Symphonie.


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