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Historismus


Historismus: In der Geschichtswissenschaft werden diesem Begriff verschiedene Deutungen unterlegt; hauptsächlich bezeichnet er eine methodisch-philosophische Einstellung, die sich ab dem 18. Jahrhundert vor allem im deutschen Raum verbreitete. Nach F. Meinecke betont der Historismus die individualisierende Betrachtung, die mit der Suche nach allgemeiner Gesetzmäßigkeit verbunden wird. Aktueller ist die davon abweichende Verwendung des Begriffs Historismus in der Kunstwissenschaft. Früher - und teilweise bis heute - bedeutete er das Wiederaufgreifen historischer Stile und wurde wie "Eklektizismus" oft in abwertendem Sinn auf die Neostile des 19. Jahrhunderts angewandt. Seit man erkannte, dass das Phänomen der Stilerneuerung auch in den früheren Abschnitten der abendländischen Kunstgeschichte begegnet und sich im 19. Jahrhundert nur verdichtete, relativierte man den Wortgebrauch oder versuchte, statt dessen von "Historizismus" zu sprechen. Historismus gilt in der modernen kunstwissenschaftlichen Terminologie als Epochenbegriff und bezeichnet die kunstgeschichtliche Phase zwischen Barock und Moderne und ist durch Mythologie ebenso charakterisiert wie durch Realismus. Wie alle Epochenbegriffe stellt Historismus eine teilweise willkürliche Hilfskonstruktion dar, die sich einer - nur für Teilaspekte möglichen - exakten Definition entzieht, aber kaum zu entbehren ist. Seit R. Wagner-Rieger unterscheidet man in chronologischer, wenngleich fließender Folge den romantischen, den strengen und den Späthistorismus. Der durch subjektiv-individuelle Auffassung und idealisierende Verklärung bestimmte, in sich immer wieder gegensätzliche romantische Historismus setzt in Österreich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts mit den revolutionsklassizistisch geprägten Bauten I. Canevales ein, während der Übergang in Malerei und Plastik erst verzögert erfolgt. Die Kunst der Romantik mit ihrer starken Affinität zum Mittelalter und des romantischen Klassizismus mit seiner Orientierung an antiken Vorbildern sind inbegriffen. Hauptaufgabe war der oft mit dem Landschaftsgarten verbundene Schlossbau (Franzensburg in Laxenburg, Weilburg bei Baden, Anif, Grafenegg), der im sentimentalen, eleganten oder pathetischen Modus auftritt. In der Malerei bestimmen nach H. F. Füger größtenteils die Vertreter des Nazarener- (J. von Führich, L. Kupelwieser) und Biedermeiertums (F. Gauermann, F. Eybl, F. Amerling) die Entwicklung. Der späte romantische Historismus fällt schon in den Beginn der Franzisko-josephinischen Ära. Nun gewinnt die Plastik bei A. D. Fernkorn und H. Gasser neue Monumentalität und Dimensionen, während A. Sicard von Sicardsburg und E. van der Nüll mit dem Opernhaus einen weiteren Höhepunkt setzen, der zugleich schon die Ringstraßenphase wesentlich beeinflusst. Im strengen Historismus dominiert schon die Großstadt. In der Architektur strebt man nach vorgeblicher Stilreinheit (F. von Schmidt, T. Hansen, H. Ferstel); in den figuralen Künsten trachtet man nach Objektivierung mittels naturalistischer (F. G. Waldmüller) und wiederum klassizistischer Tendenzen. Beides spiegelt sich in der florierenden Historienmalerei. Doch bleibt der strenge Historismus in der österreichischen Malerei und Plastik ein verhältnismäßig kurzer Abschnitt. Der malerisch-bewegte, teils (französisch-)neubarock inspirierte Späthistorismus, der eine international anerkannte Blütezeit der österreichischen Kunst bringt, forciert das Gesamtkunstwerk: Theaterbau, Festzüge und prunkvolle Innenausstattung dominieren. Zugleich etablieren sich der öffentliche Monumentalbau, die Verkehrs- und Industriearchitektur endgültig unter den wichtigen Aufgabenstellungen. G. Semper und C. von Hasenauer (Hofmuseen, Hofburg, Burgtheater in Wien) sowie das (insbesonders mit seinen Theaterbauten) weit über Österreich hinaus wirkende Duo F. Fellner und H. Helmer zählen wie O. Wagner zu den führenden Persönlichkeiten der Bauszene, während Malerei, Mode und Inszenierung im Zeichen H. Makarts stehen. Außer ihm treten namentlich C. Rahl, A. Romako, der junge G. Klimt und die Freilichtmaler der Gruppe um E. J. Schindler hervor; V. Tilgner, C. von Zumbusch, R. Weyr und C. Kundmann demonstrieren im Milieu der Wiener Ringstraße europäisches Niveau in der Plastik. Die Ausstrahlungskraft der Ringstraßenkunst erfasst die ganze Monarchie und hat auch noch Anteil am Jugendstil, der zugleich Ausklang des Historismus und Aufbruch in die Moderne bedeutet. Ausläufer und Nachleben des Historismus münden vielfach nahtlos in Entwicklungen des 20. Jahrhunderts.


Literatur: G. G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft, 21972; L. Grote (Redaktion), Historismus und bildende Kunst, 1963; R. Wagner-Rieger und W. Krause (Hg.), Historismus und Schloßbau, 1975; R. Wagner-Rieger (Hg.), Die Wiener Ringstraße - Bild einer Epoche, 11 Bände, 1969ff.


Verweise auf andere Alben:
Video-Album: Anif, Salzburg, 1838-1848.,
Schloß Grafenegg, Niederösterreich. Romantik, 1840-1873.,
Wiener Ringstraßenbauten.,
Ferdinand Georg Waldmüller, "Die Klostersuppe", 1858.,
Wiener Ringstraßenbauten, Völkerkundemuseum bis Rathaus.,
Wien, Opernhaus: Spätromantischer Historismus. Sicard von Sicardsburg, Eduard van der Nüll, 1861-1869.,
Wien, Arsenal: Romantischer Historismus. Theophil von Hansen, 1849-1856. ,
Wien, Parlament: Theophil von Hansen, 1873-1883.,
Seckau, Ansicht der Nordseite der Kirche, Erweiterung im 19. Jh.,
Hans Makart: Festzug, 1879.,

 
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